MB/KT 2009 § 15 Abs. 1 lit. A § 9 Abs. 5 § 10 S. 1
Leitsatz
Wird ein Gastronom mit einem geringen Teil seiner Arbeitskraft zusätzlich als "Spielautomatenaufsteller" tätig, so stellt dies nach den üblichen Bedingungen der Krankentagegeldversicherung wohl keinen Berufswechsel dar. Jedenfalls bleibt Versicherungsschutz bestehen, auch wenn der Beruf des "Automatenaufstellers" bei dem VR nicht versicherbar ist. Das Unterlassen einer Anzeige der Zusatztätigkeit ist keine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung.
OLG Hamm, Urt. v. 29.8.2018 – 20 U 52/18
1 Aus den Gründen:
"… 1. Dem Kl. steht der Anspruch auf Zahlung weiteren Krankentagegeldes für den genannten Zeitraum aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag zu."
a) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ursprünglich ein Versicherungsvertrag wirksam zustande gekommen ist.
Entgegen der Auffassung der Bekl. ist das Versicherungsverhältnis nicht gem. § 15 Abs. 1 lit. a) der dem Vertrag zugrunde liegenden MB/KT 2009 beendet worden. Danach endet das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats, in dem eine Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit wegfällt. Dies kann u.a. dann der Fall sein, wenn der VN zu einer Tätigkeit wechselt, die nach dem bisherigen Tarif nicht versicherbar ist (Prölss/Martin/Voit, VVG, 30. Aufl. 2018, § 15 MB/KT Rn. 10).
Vorliegend hat die Bekl. zwar unwidersprochen vorgetragen, dass eine Tätigkeit als Automatenaufsteller bei ihr nicht versicherbar ist. Dennoch wechselte der Kl. nicht im vorstehenden Sinne zu einer nicht versicherbaren Tätigkeit. Denn seine Tätigkeit als Automatenaufsteller trat vielmehr, wie die Beweisaufnahme durch Anhörung des Kl. und durch Vernehmung des Zeugen M zur Überzeugung des Senats ergeben hat, lediglich neben die nach dem Versicherungsvertrag versicherte Tätigkeit des Kl. als Gastronom. Dieser Fall ist jedenfalls dann nicht von § 15 Abs. 1 lit. a) MB/KT 2009 erfasst, wenn die neu hinzutretende Tätigkeit nicht einmal den Schwerpunkt bildet, sondern – wie hier – allenfalls gleichberechtigt neben der bereits bestehenden Tätigkeit ausgeübt wird. Dass seine Tätigkeit als Gastronom weiterhin die Hälfte seiner beruflichen Tätigkeit ausmachte, hat der Kl. bei seiner Anhörung für den Senat glaubhaft erläutert.
b) Der Versicherungsfall ist eingetreten.
Diesen regeln die dem Vertrag zugrunde liegenden MB/KT 2009 in § 1 Abs. 2 und 3 wie folgt:
Zitat
“(2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehen. […]
(3) Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.'
Der Kl. hat den ihm obliegenden Beweis erbracht, dass diese Voraussetzungen über den 20.10.2014 hinaus erfüllt waren.
aa) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Versicherungsfall im September 2009 im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 2 MB/KT 2009 begann, weil wegen einer Burn-Out- und Depressionserkrankung eine medizinisch notwendige Heilbehandlung des Kl. erfolgte und in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde.
bb) Die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit des Kl. bestand i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 3 MB/KT 2009 über den 20.10.2014 hinaus jedenfalls bis einschließlich zum 19.1.2015 fort.
Der Kl. hat bewiesen, dass er auch in diesem Zeitraum bedingungsgemäß arbeitsunfähig war, nämlich seine berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben konnte und auch nicht ausübte (§ 1 Abs. 3 MB/KT 2009).
Dabei kann der Senat offenlassen, ob Anknüpfungspunkt für diese Beurteilung ausschließlich der im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages ausgeübte Beruf des Kl. als Gastronom oder das zuletzt ausgeübte Nebeneinander der Tätigkeiten als Gastronom und Automatenaufsteller ist.
(1) Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kl. zunächst selbstständig als Gastronom tätig war und in dieser Zeit sämtliche damit verbundenen Verrichtungen wie die Erledigung der Einkäufe, die Bedienung der Gäste, die Reinigung der Räumlichkeiten, den Kassenabschluss und die allgemeine Buchführung erledigte. Ebenso ist der Senat überzeugt, dass die Tätigkeit des Kl. im weiteren Verlauf in einem Nebeneinander dieser Gastronomietätigkeit und einer Tätigkeit als Automatenaufsteller bestand, wobei zu letzterem insb. die Wartung und Reparatur sowohl eigener als auch fremder Geräte gehörte.
Der Kl. hat beide Tätigkeiten detailliert und lebensnah beschrieben. Seine Angaben wurden durch den Zeugen M jedenfalls in den zentralen Punkten bestätigt. (…)
(2) Unabhängig davon, ob auf die Tätigkeit ausschließlich als Gastronom oder auf das Nebeneinander...