StVG § 3 Abs. 1 S. 1; FeV 2010 § 11 Abs. 6 S. 1, S. 2, Abs. 8 § 13 S. 1 Nr. 2c § 46 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Die Fahrerlaubnisbehörde genügt den Anforderungen des § 11 Abs. 6 S. 2 FeV, wenn die Begutachtungsanordnung den Hinweis enthält, dass die Untersuchung durch jede amtlich anerkannte medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden kann und zudem eine Reihe von Untersuchungsstellen angegeben werden, die in räumlicher Nähe zum Wohnort des Betr. liegen oder für ihn sonst, etwa mit öffentlichen Verkehrsmitteln, gut erreichbar sind. Eine vollständige Auflistung der nächstgelegenen Stellen ("innerhalb einer Fahrzeit von zwei Stunden") ist nicht erforderlich (vgl. VGH München, Beschl. v. 8.8.2018 – 11 CS 18.1494, juris Rn 11 [= zfs 2018, 582]).
Zu der Frage, inwieweit eine im Ausland (Polen) begangene Alkoholfahrt und die dort gemessene Atemalkoholkonzentration die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung rechtfertigen können (Anschluss an OVG Münster, Urt. v. 25.10.2016 – 16 A 1237/14, juris Rn. 26 ff.).
OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.11.2018 – OVG 1 B 5.18
Sachverhalt
Der Kl. wendet sich im Wesentlichen gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Das AG in Krosno Odrzanskie (Polen) hatte ihn wegen Führens eines Kfz am 5.9.2014 unter erheblichem Einfluss von Alkohol (1,11 mg/l Atemalkoholkonzentration – AAK) rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm für drei Jahre das Recht aberkannt, Kfz im Straßenverkehr zu führen. Der Bekl., dem dieser Umstand bekannt geworden war, forderte den Kl. nach entsprechender Anhörung unter dem 2.3.2015 auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung alkoholbedingter Fahreignungszweifel beizubringen; andernfalls dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf seine Nichteignung schließen. Gegen den der Gutachtenanordnung beigefügten Gebührenbescheid erhob der Kl. Widerspruch und nahm in der Sache Stellung. Das Ergebnis der Atemalkoholmessung sei für ihn unverständlich. Das angewandte Messverfahren sowie das Strafverfahren in Polen hätten nicht deutschen Rechtsstandards entsprochen.
Da der Kl. kein Gutachten beigebracht hatte, entzog ihm der Bekl. nach weiterem Schriftwechsel mit insoweit für sofort vollziehbar erklärter Ordnungsverfügung vom 11.5.2015 die Fahrerlaubnis und forderte ihn auf, den Führerschein binnen fünf Tagen abzugeben. Für den Fall der Nichtabgabe wurde ein Zwangsgeld von 100 EUR und hilfsweise die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht. Hiergegen sowie gegen den beigefügten Gebührenbescheid legte der Kl. Widerspruch ein. Sein vorläufiger Rechtsschutzantrag (VG 1 L 261/15) hatte vor dem VG Cottbus, aber nicht vor dem Senat Erfolg (OVG 1 S 91.15). Mit Widerspruchsbescheid vom 18.2.2016 wies der Bekl. den Widerspruch des Kl. gegen die zwischenzeitlich unter dem 29.6.2015 erfolgte Zwangsgeldfestsetzung i.H.v. 100 EUR zurück.
Das VG Cottbus hat der Klage gegen die Fahrerlaubnisentziehung, den Widerspruchsbescheid sowie die Gebührenbescheide mit Urt. v. 15.6.2017 stattgegeben, weil sich derzeit nicht feststellen lasse, dass der Kl. nicht fahrgeeignet sei. Die Voraussetzungen der Gutachtenanordnung vom 2.3.2015 hätten in formeller wie auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht vorgelegen. Hiergegen hat der Bekl. die Berufung zulässig erhoben und rechtzeitig begründet (§ 124a Abs. 6 S. 1 VwGO).
2 Aus den Gründen:
"… Das Rechtsmittel ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Das VG hätte die Klage abweisen müssen."
Erweist sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kfz, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 3 Abs. 1 S. 1 StVG – i.V.m. § 46 Abs. 1 S. 1 FeV). Werden – wie im Falle des Kl. aufgrund des polnischen Strafurteils – Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kfz ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer Alkoholproblematik ordnet die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 13 S. 1 Nr. 2 c) FeV an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde. Bringt der Betr. das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betr. schließen (§ 11 Abs. 8 S. 1 FeV). Der Schluss auf die Nichteignung ist nur zulässig, wenn die Anordnung der Untersuchung rechtmäßig, insb. anlassbezogen und verhältnismäßig war (st. Rspr. vgl. nur BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – [zfs 2017, 474 =] BVerwGE 156, 293-305, juris Rn. 19 m.w.N.). So verhält es sich hier. Entgegen der Ansicht des VG Cottbus ist die Gutachtenanordnung vom 2.3.2015 nicht zu beanstanden. Hierzu im Einzelnen:
1. Das VG hat in formeller Hinsicht überzogene Anforderungen an die Gutachtenanordnung gestellt. Die Fahrerlaubnisbehörde hat in...