OWiG § 10 § 17 § 80
Leitsatz
1. Bei fahrlässigem Verkehrsverstoß grds. keine Erhöhung der Geldbuße wegen Uneinsichtigkeit eines Betroffenen.
2. (Teilweise) Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rspr. auch dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das AG Hinweise des Senats zukünftig nicht befolgen würde.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.11.2018 – 2 Ss (OWi) 286/18
Sachverhalt
Durch das angefochtene Urteil hat das AG die Betr. wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 120 EUR verurteilt. Das OLG Oldenburg hat die Rechtsbeschwerde, soweit es den Rechtsfolgenausspruch betrifft, zugelassen, das Urteil des AG im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Betr. wegen der vom AG festgestellten Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 85 EUR verurteilt.
2 Aus den Gründen:
"… Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg. Das AG hat die Regelgeldbuße erhöht. Es hat ausgeführt, dass die Betr. sich völlig uneinsichtig gezeigt und darauf beharrt habe, sich vollkommen korrekt verhalten zu haben. Es sei ihr nicht zu vermitteln gewesen, dass sie sich falsch verhalten habe. Sie habe dem Unfallgegner erschwert, seine Ansprüche gegenüber ihr bzw. ihrer Haftpflichtversicherung durchzusetzen. Ein entsprechendes Nachtatverhalten sei bußgelderhöhend zu berücksichtigen."
Die Ausführungen des AG widersprechen einhelliger Auffassung:
Uneinsichtigkeit des Betr. kann eine angemessene Erhöhung der Geldbuße nur dann rechtfertigen, wenn sie nach der Tat des Betr. und seiner Persönlichkeit darauf schließen lässt, dass er sich durch eine niedrige Geldbuße nicht hinreichend beeindrucken lassen wird, die Rechtsordnung künftig zu beachten (OLG Köln VRS 81, 200; OLG Düsseldorf VRS 78, 440; OLG Koblenz VRS 68, 223; Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Aufl., § 17 Rn 26a). Bei Fahrlässigkeitstaten im Straßenverkehr ist bei Würdigung des Verhaltens des Betr. vor Gericht besondere Zurückhaltung geboten, wenn auf Uneinsichtigkeit geschlossen werden soll (OLG Hamburg VRS 58, 52; OLG Koblenz a.a.O.). Diesen Grundsätzen widersprechen die Ausführungen des AG. Das AG hat nicht festgestellt, dass hier, insb. vor dem Hintergrund einer fahrlässigen Begehungsweise, Umstände vorliegen, die Anlass zu der Annahme geben, die 83-jährige Betr. könne nur durch eine erhöhte Geldbuße von zukünftigen Zuwiderhandlungen abgehalten werden. Das Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Auf die Inbegriffsrüge kommt es deshalb nicht an.
Gem. § 79 Abs. 6 OWiG macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, in der Sache selbst zu entscheiden. Die Regelgeldbuße für den hier vorliegenden Verkehrsverstoß beträgt gem. Ziff. 39.1 BKatV 70 EUR, wobei der Tatbestand insoweit bereits eine Gefährdung umfasst. Enthält der Grundbestand jedoch eine Gefährdung, führt die Sachbeschädigung gem. Tab. 4, Anhang zu § 3 Abs. 3 BatV, zu einer Erhöhung auf 85 EUR. In dieser Höhe war die Geldbuße auch von der Bußgeldbehörde festgesetzt worden. Der Senat sieht keinen Anlass von dieser Regelgeldbuße abzuweichen und hält sie für die Verkehrsordnungswidrigkeit der Betr. für angemessen.
Der Senat hatte in der Vergangenheit in denjenigen Fällen, in denen zu erwarten war, dass das AG die im Beschluss über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde erteilten Hinweise zukünftig berücksichtigen werde, von der Zulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen. An dieser Rspr. sieht er sich jedoch durch den Beschl. des BVerfG v. 27.10.2015 (2 BvR 3071/14, BeckRS 2016, 40852) gehindert.
Dort hat das BVerfG beanstandet, dass das OLG eine Rechtsbeschwerde nicht ohne weiteres mit der Begründung als unzulässig habe verwerfen dürfen, dass die Entscheidung auf einem Fehler im Einzelfall beruhe, sich das Gericht nicht bewusst über die obergerichtliche Rspr. hinweggesetzt habe und den Fehler angesichts der Ausführungen des OLG nicht wiederholen werde. Da die Annahme des OLG, es habe sich nur um einen Fehler im Einzelfall gehandelt, keine andere Grundlage als die Vermutung habe, dass sich das Gericht durch die Ausführungen des OLG belehren lassen werden, werde der Zulassungsgrund der Sicherung der Einheitlichkeit der Rspr. in einer Weise ausgelegt und angewendet, die jede Vorhersehbarkeit zunichtemache und die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde weitgehend leerlaufen lasse.
Der Senat konnte es deshalb nicht allein mit einem Hinweis auf die entgegenstehende Rspr. bewenden lassen. Da die Betr. ihren Zulassungsantrag uneingeschränkt eingelegt, dieser aber nur im Hinblick auf die Geldbuße Erfolg hat, hält der Senat es für angemessen, die Gebühr lediglich um ¼ zu ermäßigen und insoweit auch die notwendigen Auslagen der Betr. der Landeskasse aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung folgt insoweit aus § 473 Abs. 4 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG. …“
zfs 4/2019, S. 231