AHB § 13 Nr. 3b
Leitsatz
Wer ein eingestelltes Pferd über ein Jahr lang in einer gemieteten Pferdebox belässt, obwohl es ständig wegen des in der benachbarten Box stehenden Pferdes gegen die Trennmauer zwischen beiden Boxen tritt und letztere dann reparaturbedürftig beschädigt wird, setzt die gemietete Box einer übermäßigen Beanspruchung aus. Der Schaden ist dann nicht von der Tierhaftpflichtversicherung gedeckt.
AG Kassel, Urt. v. 31.1.2019 – 435 C 3646/18
Sachverhalt
Die Kl. unterhält bei der Bekl. eine Tierhalterhaftpflichtversicherung. Im Versicherungsschein ist bestimmt, dass sich der Versicherungsumfang nach den AHB 2009 bestimmt. Die Kl. mietete für ihr versichertes Pferd eine Box im Stall des B. Das Pferd war von Beginn der Einstallung an unruhig und trat nach dem in der Nachbarbox untergebrachten Pferd, traf dabei aber immer nur die Trennmauer, an der ein Schaden entstand, für die die Kl. Deckung begehrt.
2 Aus den Gründen:
"… Das Gericht kann dabei dahingestellt sein lassen, ob die von der Bekl. erwähnten Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung Vertragsbestandteil geworden sind oder nicht. Denn unabhängig davon ist die Bekl. nicht einstandspflichtig. Dies hat zur Folge, dass das Gericht auch nicht weiter aufzuklären braucht, ob dieses Regelwerk mit dem Versicherungsschein von der Bekl. an die Kl. versendet wurde oder nicht."
Für den Fall, dass die vorgenannten Besonderen Bedingungen zu Privathaftpflichtversicherung Vertragsbestandteil wurden, ist die Bekl. deswegen leistungsfrei, weil eine übermäßige Beanspruchung i.S.d. § 12 Nr. 3 dieser Bedingungen vorliegt. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff bedarf der näheren Ausfüllung. Denn Ausgangspunkt ist stets eine zunächst vertragsgemäße Benutzung der Mietsache. Geht diese Benutzung jedoch für den konkreten Raum über das vereinbarte oder übliche Maß quantitativ oder qualitativ erheblich hinaus mit der Folge, dass – wie in § 12 Nr. 3 der Besonderen Bedingungen genannt – Abnutzung oder Verschleiß oder ein vergleichbares Phänomen eintritt mit der Folge, dass insoweit unter dem Blickwinkel der Versicherung des Risikos ein erhöhtes Schadensrisiko besteht, ist von einer übermäßigen Beanspruchung auszugehen (OLG Saarbrücken VersR 2014, 325). Maßgeblich ist danach nicht, ob ein gravierender Schaden eingetreten ist oder nicht, sondern auf welche Art und Weise ist zum Schadenseintritt gekommen war. Denn in Ansehung des Sinnes und Zweckes der Regelung soll ein unerwartet eintretendes Schadensereignis abgesichert sein, nicht jedoch ein solches, welches durch die konkrete Art und Weise der Benutzung über kurz oder lang absehbar ist. In Ansehung dieser Definition ist dann von einer übermäßigen Beanspruchung auszugehen, wenn etwa durch die Dauer des schadensstiftenden Ereignisses das Maß des üblichen überschritten ist.
So liegt es hier. Wie die Kl. bereits selbst vorträgt, ist seit Beginn der Einstallung ein auffälliges Verhalten ihres Pferdes zu beobachten gewesen, weil offensichtlich eine Reaktion auf das benachbart eingestellte weitere Pferd stattfand mit der Folge, dass das Pferd der Kl. andauernd Tritte gegen die Trennmauer führte. Ein solches Phänomen, welches offensichtlich auf ein Unwohlsein des Tieres schließen lässt, bedarf angesichts der Dauer zwischen Beginn des Verhaltens des Tieres und dem streitgegenständlichen Schadenseintritt von über einem Jahr einer Reaktion seitens des Pferdehalters, um sowohl das Wohlbefinden des Tieres zu verbessern als auch einen Schaden durch die dauernde nicht typische Beanspruchung der Pferdebox mittels der Tritte abzuwenden. Aus dem Vorbringen der Kl. ist jedoch zu schließen, dass die Kl. genau solches gerade nicht vorgenommen hat. Mithin liegt hier eine übermäßige Beanspruchung i.S.d. besonderen Bedingungen zu Privathaftpflichtversicherung vor.
Sollten diese Besonderen Bedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden sein, so sind jedenfalls die AHB auf den Tierhaftpflichtversicherungsvertrag der Parteien anzuwenden. Denn deren Geltung ergibt sich unzweideutig auch aus demjenigen Bestandteil des Versicherungsscheins, den die Kl. selbst zur Akte gereicht hat. Nach Nr. 7.6 AHB besteht jedoch keine Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers für Schäden an gemieteten, gepachteten (usw.) fremden Sachen, da insoweit ein Ausschluss vom Versicherungsumfang vorgesehen ist. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Anstellungsvertrag zwischen der Kl. und dem B schwerpunktmäßig den Charakter eines Mietvertrages hat, da im Vordergrund die Anmietung der Stallbox zum Zwecke des Aufenthaltes des Pferdes steht. Mithin liegt bei einem Schaden an der Trennmauer der Box eine Beschädigung einer Mietsache vor mit der Folge, dass unter der Anwendung der AHB generell keine Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers und somit hier der Bekl. besteht. …“
zfs 4/2019, S. 220 - 221