"… II. Der Einzelrichter des Senats hat die Rechtsbeschwerde gem. § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des sachlichen Rechts zugelassen, nämlich hinsichtlich der Frage, ob das Vorbeifahren an mehreren beidseitig aufgestellten Verkehrszeichen und deren Nichtbeachtung einen erhöhten Fahrlässigkeitsvorwurf begründet, welchem durch Erhöhung der in der BKatV vorgesehenen Regelgeldbuße Rechnung getragen werden kann."
Er hat die Sache dann gem. § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG sowohl zur Fortbildung des Rechts als auch – was nach Zulassung der Rechtsbeschwerde auch in Ansehung der Vorschrift des § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG möglich ist – zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
III. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und im Hinblick auf die Sachrüge auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt und begründet worden. Soweit der Betr. die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften beanstandet, erweist sich das Rechtsmittel als unzulässig, weil entgegen § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 StPO die den Mangel enthaltenden Tatsachen nicht angegeben werden.
2. In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Die Überprüfung des Urteils hat auf die Sachrüge hin keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. aufgedeckt.
Die vom AG getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften gem. §§ 24 Abs. 1 StVG, 41 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO i.V.m. Nr. 11.3.4 BKatV in objektiver wie subjektiver Weise.
Auch der Rechtsfolgenausspruch ist frei von Rechtsfehlern.
Insb. ist ein sachlich-rechtlicher Verstoß nicht darin zu sehen, dass das AG die Regelgeldbuße gem. BKatV von 70 EUR um 15 EUR erhöht hat, weil es dem Betr. eine erhöhte Fahrlässigkeit angelastet hat. In der Rspr. des OLG Koblenz wird die Frage, ob der Betr. mit erhöhter Fahrlässigkeit handelt, wenn er mehrere beidseitig aufgestellte Verkehrszeichen ignoriert, ohne sein Fahrverhalten entsprechend anzupassen, unterschiedlich beantwortet, wobei bislang – soweit ersichtlich – hierzu eine Senatsentscheidung noch nicht vorliegt. Dies wird in einigen Entscheidungen des 1. und 2. Bußgeldsenats bejaht (vgl. OLG Koblenz, Beschl. 1 OWi 6 SsRs 361/20 v. 25.11.2020; 1 OWi 6 SsRs 253/30 v. 2.10.2020; 2 OWi 6 SsBs 30/20 v. 11.3.2020; 1 OWi 6 SsBs 11/18 v. 8.6.2018). Demgegenüber ist in einer Entscheidung des links unterzeichnenden Einzelrichters des 3. Bußgeldsenats die Auffassung vertreten worden, dass durch ein solches Fehlverhalten der Fahrlässigkeitsvorwurf nicht erhöht wird und deshalb eine darauf gestützte Erhöhung der Regelgeldbuße zu unterbleiben hat (OLG Koblenz, Beschl. 3 OWi 6 SsRs 299/20 v. 26.10.2020). Der Senat entscheidet die Rechtsfrage jetzt dahingehend, dass in den besagten Fällen ein gegenüber dem Regelfall – dem achtlosen Vorbeifahren an nur einem die Geschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen – der Fahrlässigkeitsvorwurf als erhöht anzusehen ist, was es rechtfertigt, die Regelgeldbuße entsprechend zu erhöhen. An der anderslautenden Rspr. des Einzelrichters des Senats v. 26.10.2020 wird nicht mehr festgehalten.
Grds. sind die Regelsätze der BKatV für die Gerichte verbindlich, da sie Rechtssatzqualität haben (vgl. BeckOK-OWiG/Sackreuther, § 17 Rn 111; KK-OWiG/Mitsch § 17 Rn 103). Dabei gehen die Bußgeldregelsätze für fahrlässiges Handeln von gewöhnlichen Fällen aus; ein Abweichen hiervon ist nur dann angezeigt, wenn außergewöhnliche, besondere Umstände vorliegen, die nicht dem durchschnittlichen Fahrlässigkeitsgrad entsprechen. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 3 OWiG, wonach Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf sind, der den Täter trifft.
Der individuelle Sorgfaltsverstoß, der dem Betr. hier anlastet, ist nach den Urteilsgründen des AG darin zu sehen, dass er trotz Kenntnis der im Messstellenbereich durch Zeichen 274 angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sein Fahrverhalten sorgfaltswidrig nicht angepasst hat, obwohl er zuvor wiederholt durch die mehrfache Beschilderung mit dem gleichen Zeichen dazu angehalten worden ist. Diesem Verhalten liegt eine gegenüber dem Regelfall, der Nichtbeachtung nur eines Schildes, eine erhöhte Sorgfaltspflichtverletzung zugrunde.
Für einen erhöhten Sorgfaltsverstoß und die damit einhergehende besondere individuelle Vorwerfbarkeit sprechen zunächst Sinn und Zweck der Mehrfachbeschilderung. Nach Ziff. I. zu Zeichen 274 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) v. 26.1.2001 sollen Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Sicherheitsgründen angeordnet werden, wenn Unfalluntersuchungen ergeben haben, dass häufig geschwindigkeitsbedingte Unfälle aufgetreten sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn festgestellt worden ist, dass die geltende Höchstgeschwindigkeit von der Mehrheit der Kraftfahrer eingehalten wird. Im anderen Fall muss die geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit durchgesetz...