In einer 30 km/h-Zone wäre schon bei 42 km/h eine 40 %ige Überschreitung gegeben. Das ist sanktionswürdig, aber nach meiner Auffassung kein Indiz für einen Vorsatz. Als Fahrlässigkeitstat führt eine solche Überschreitung von 14 km/h noch nicht einmal zu einer Eintragung in das FAER, sondern zu einer Regelbuße von 25 EUR (selbst eine Verdoppelung bliebe noch unter einer FAER-Eintragung). Noch absurder ist die Annahme eines Vorsatzes bei Geschwindigkeitsverstößen nur wegen einer bestimmten prozentualen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit bei Schrittgeschwindigkeitsverstößen: Nimmt man die Schrittgeschwindigkeit als Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h an, wäre eine 40 %ige Überschreitung eine mit 14 km/h. Das wäre bei alleiniger Anwendung der 40 %-Regel für die einen Gerichte schon eine Vorsatztat, für andere Gerichte, die auch 15 km/h noch als Schrittgeschwindigkeit ansehen, noch nicht einmal tatbestandsmäßig.
Dass Gerichte bei gut vergleichbaren Verstößen in Tempo-30-Zonen zu völlig abweichenden Entscheidungen kommen können, zeigen die folgenden Fälle:
Fall 21, AG Bad Segeberg – 8 OWi 552 Js 64512/17 (659/17): 21 km/h-Verstoß innerorts (Tempo-30-Zone), eine Voreintragung, Gericht (Richterin auf Probe) erteilt Vorsatzhinweis, da die erlaubte Geschwindigkeit um mehr als 50 % überschritten wurde, Urteil: 180 EUR wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung.
Fall 22, AG Lübeck – 64 OWi 751 Js 38218/17 (111/17): 24 km/h Vorwurf in Tempo-30-Zone (Lübecker Innenstadt), der ortsunkundige Betroffene ohne Voreintragungen war am Vortag in die verkehrsberuhigte Innenstadt, bei der beim Einfahren deutlich sichtbar auf die Tempo-30-Zone hingewiesen wurde, gefahren und wurde am Tattag beim Verlassen der Altstadtinsel vor einer Brücke gemessen, bei der die Bebauung bereits beidseitig geendet hatte. Ein stark beschädigtes Piktogramm auf der Fahrbahn mit dem Hinweis auf die 30-Zone befand sich als einziger Hinweis nach Verlassen des Hotelparkplatzes als Erinnerung an die Tempo-30-Zone noch im bebauten Bereich, das wegen eines höheren Fahrbahnbuckels von der Messstelle nicht sichtbare Aufhebungsschild 150 m hinter der Messstelle, Urteil: 80 EUR, weil Regelfall.
Kritik: Dies ist ein klassisches Beispiel, bei dem man eine geringere als eine durchschnittliche Fahrlässigkeit annehmen könnte. Nach einer Übernachtung noch von einem ortsunkundigen Betroffenen zu erwarten, dass er ohne Erinnerung noch die Einfahrtsbeschilderung präsent hat, ist zu viel verlangt.
Fall 23, AG Husum – 5 OWi 110 Js 14308/15 (68/15): 25 km/h-Verstoß, (55 km/h nach Toleranz in Tempo-30-Zone), die Strecke war dem Betroffenen von früher bekannt als noch 50 km/h Höchstgeschwindigkeit angeordnet waren, er hatte die Strecke seitdem lange nicht befahren. Urteil: 59 EUR, nur leichte Fahrlässigkeit.
Fall 24, AG Kiel – 35 OWi 552 Js-Owi 71703/16 (65/16): 24 km/h-Verstoß innerorts in Tempo-30-Zone mit zwei Schulen und einer Kita, zwei Schilder in ca. 100 m Abstand rechts, erstes Schild aber unmittelbar nach einer 90-Grad-Kurve und 2. Schild am Tattag im Juli teilweise von Bäumen verdeckt, Betroffener keine Voreintragungen, kannte die Straße nicht und gab an, sehr genau auf Fußgänger geachtet und wohl auch deshalb die Beschilderung nicht gesehen zu haben, Verhandlung ein Jahr nach Tattag, Urteil: 55 EUR wegen geringerer als durchschnittlicher Fahrlässigkeit.