I. Vorbemerkungen
Die Abgrenzung zwischen Regelfällen, die zur einer Ahnung nach dem Bußgeldkatalog (BKat) führen sollen, zu Grenzfällen, bei denen von der Regelbuße abgewichen werden kann, bedarf dringend einer Diskussion. Die bisherige Rechtsprechung zu Geschwindigkeitsverstößen zwischen 21 und 25 km/h ist aufgrund ihrer hohen Fallzahl die am besten geeignete Fallgruppe, um diese Abgrenzungsprobleme zu verdeutlichen, auch wenn ein neuer BKat die Regelbußen und die Eintragungsgrenze in das FAER verschieben sollte.
Die unterschiedlichen Auffassungen zur Abgrenzung von Regel- und Grenzfall führen zu einer erheblichen Rechtsprechungsbreite vergleichbarer Fälle mit der Folge, dass gelegentlich "leichtere" zu einer Regelbuße mit einer Eintragung im Fahreignungsregister (FAER) führen, während ähnlich gelagerte oder sogar gewichtigere unterhalb einer FAER-Eintragung sanktioniert werden. Da diese Fälle mit Regelbußen von 70 und 80 EUR grundsätzlich nicht rechtsbeschwerdefähig sind und der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nur selten erfolgreich gestellt werden kann, fehlen hinreichende Vereinheitlichungsimpulse durch die Oberlandesgerichte als Rechtsmittelinstanz. Dementsprechend breit ist der Umgang der Bußgeldrichter mit diesen Fällen. Im Folgenden soll die Rechtsprechungsbreite anhand von verschiedenen Fällen aufgezeigt und ein Fazit gezogen werden.
II. Die Kommentierungen zum "Regelfall"
Die Regelsätze des Bußgeldkatalogs knüpfen gem. § 1 Abs. 2 BKatV an gewöhnliche Tatumstände an (der Begriff des "Regelfalls" wird dabei nicht verwendet), die für in Abschnitt I des BKat aufgeführte Ordnungswidrigkeiten für fahrlässige Begehungen gelten. Eine ausgefeilte Differenzierung von Fahrlässigkeitsgraden, wie sie im Versicherungsrecht immer noch ausbildet, findet sich in der BKatV (noch) nicht. Nur indirekt lässt sich aus der Formulierung für das Regelfahrverbot in § 4 BKatV für die "grobe Verletzung von Pflichten" schließen, dass auch für Ordnungswidrigkeiten unterschiedliche Fahrlässigkeitsgrade gelten können.
König weist zu § 24 StVG darauf hin, dass "bei grober oder nur leichter Fahrlässigkeit kein Regelfall" vorliege. Gürtler kommentiert in Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz zu § 17 OWiG, dass die Regelsätze nach BKatV als RVO, anders als bei rein internen Weisungen innerhalb der Behörden, für die Gerichte verbindlich sind. Kaum abwägbare besondere Umstände des Einzelfalles sollen vernachlässigt werden und "eine möglichst gleichmäßige Erledigung massenhaft vorkommender, im Wesentlichen gleich gelagerter Sachverhalte" aus Gründen der Gerechtigkeit vorgenommen werden. Diese Zumessungsrichtlinien sollen für fahrlässige Begehungen und gewöhnliche Tatumstände gelten, wobei bei der Vorlage von Milderungsgründen oder erschwerenden Umständen das Recht und die Pflicht bestehen, die Regelsätze zu unterschreiten oder zu erhöhen. Ausdrücklich wird die eine durchschnittliche Fahrlässigkeit von einer groben oder noch ganz leichten unterschieden. Auch wenn ein deutliches Abweichen vom Normalfall auch ein Abweichen von den Regelsätzen des BKat rechtfertigt, wird vor einer Entwertung der Regelbußen durch eine detaillierte Untersuchung und Abwägung in jedem Einzelfall genauso gewarnt, wie vor einer persönlichen Wertung der Ordnungswidrigkeit an Stelle der Regelsätze. Dennoch erfordert die gerichtliche Bußgeldentscheidung, dass die Umstände des Einzelfalls bedacht und berücksichtigt wurden. Ein reiner Verweis auf die Kennziffer eines Bußgeldkataloges genügt diesem Anspruch nicht.
Diese abstrakten Ausführungen erscheinen in der Theorie erstmal überzeugend, führen aber in der Praxis dennoch nicht zu einer Gleichbehandlung der Fälle, wie die nachfolgenden Fallbeispiele zeigen sollen.
III. Beschilderung und Fahrlässigkeitsgrad
Der Beschilderungsplan ist nach (zutreffender) Ansicht der meisten Gerichte notwendiger Bestandteil der Ermittlungsakte, während andere Gerichte vertreten, dass dies nicht erforderlich sei, da die Vernehmung des Messbeamten auch die Befragung zum Beschilderungsplan umfassen könne. Vermittelnd dazu vertreten einige Amtsgerichte, dass ein Beschilderungsplan nur bei Geschwindigkeitsverstößen auf Autobahnen erforderlich sei.
Falls der Messbeamte Fotos der Beschilderung vom Tattag fertigt, sind diese sogar aussagekräftiger als ein Beschilderungsplan, der eher einem Irrtum unterliegen kann. Gänzlich abzulehnen ist dagegen eine Zeugenvernehmung, die sich weder auf einen Beschilderungsplan oder auf Fotos stützt, da es nicht glaubhaft ist, dass sich ein Zeuge ohne eine Dokumentation sicher an die tat...