Das Unternehmen X ist ein Automobilhersteller, der Kraftfahrzeuge in Frankreich vertreibt. Die fraglichen Fahrzeuge verfügen über ein Ventil zur Abgasrückführung (AGR), das zur Reduzierung und Kontrolle der NOx-Emissionen eingesetzt wird. Ein Teil der Motorabgase wird zum Luftanlass, der Stelle, an der die Frischluft eintritt, zurückgeführt, wodurch die NOx-Emissionen verringert werden. Aufgrund von Veröffentlichungen in der Presse leiteten die französischen Ermittlungsbehörden ein Strafverfahren gegen das Unternehmen X wegen des Verdachts einer Täuschung der Erwerber der Dieselfahrzeuge über deren wesentliche Eigenschaften und über Täuschungen im Zusammenhang mit dem Prüfungsverfahren ein. Vor dem Inverkehrbringen wurden die Fahrzeuge in einem Labor hinsichtlich verschiedener technischer Parameter geprüft. Dabei wurden unter anderem Temperatur und Geschwindigkeit bei vordefiniertem Fahrzyklus (dem New European Driving Cycle) geprüft. Zweck dieser Untersuchungen waren vorwiegend die Feststellung der Emissionswerte und der in der VO (EG) festgelegten Grenzwerte. Die Prüfung erfolgte nicht unter Zugrundelegung realer Fahrtbedingungen. Das erstattete Gutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass die in Betracht kommenden Fahrzeuge über eine Vorrichtung verfügten, die in der Lage war, die Phasen der Zulassungstests zu erkennen und die Anpassung des AGR-Systems die Einhaltung der zulässigen Emissionswerte erlaubte. Bei normalem Fahrbetrieb trat eine teilweise Deaktivierung des AGR-Systems und damit eine Erhöhung der NOx-Werte ein. Der Gutachter stellte fest, dass ohne die Deaktivierungswirkung bis zu 50 % weniger an NOx ausgetreten wäre. Allerdings wären die Wartungsarbeiten bei diesen Fahrzeugen häufiger notwendig und deshalb kostspieliger gewesen.
Der zuständige französische Untersuchungsrichter legte im Vorabentscheidungsersuchen dem EuGH die Fragen vor, ob die betroffenen Fahrzeuge den Anforderungen der VO (EG) 715/2007 genügen, da eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegen könne, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen unter normalen Nutzungsbedingungen unterschreite.
Entsprechend dem Schlussantrag der Generalanwältin Sharpston gelangte der EuGH zu der Entscheidung, dass der Einsatz der Abschalteinrichtung nicht zur Verzögerung von Verschleiß und Verschmutzung des Motors zulässig sei (zu den Schlussanträgen der Generalanwältin vgl. die Pressemitteilung Nr. 52/20 des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 30.4.2020). Zulässig sei der Einsatz der Abschalteinrichtung nur in den seltenen Anwendungsfällen der Gefahr eines unmittelbaren Risikos von Beschädigungen, die die Zuverlässigkeit des Motors beeinträchtigten und eine konkrete Gefahr bei der Lenkung herbeiführten.