[…] II. Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich als unbegründet.
1. Ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG ist grundsätzlich nur mit einer Verfahrensrüge angreifbar, die den Anforderungen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG genügen muss. Diesen strengen Anforderungen genügt das Rechtsbeschwerdevorbringen nicht. Zur Begründung wird auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 1.11.2021 Bezug genommen. Ergänzend verweist der Senat auf die Beschlüsse des BayObLGvom 9.10.2020 (202 StRR 94/20 = BeckRS 2020, 28882) und des OLG Hamm vom 21.3.2018 (1 RBs 137/17 = BeckRS 2018, 17525).
2. Die Sachrüge reicht als notwendige Begründung des Rechtsmittels aus, führt aber nur zu der Nachprüfung von Verfahrenshindernissen (BayObLG, Beschl. v. 27.6.1996 – 3 ObOWi 76/96 – NStZ-RR 1997, 182). Solche sind hier nicht gegeben, insbesondere liegt Verfolgungsverjährung nicht vor.
a) Die Frage, ob Verfolgungsverjährung eingetreten ist, ist als Verfahrensvoraussetzung bzw. als Verfahrenshindernis vom Senat im Rahmen der Rechtsbeschwerde von Amts wegen eigenständig unter Benutzung aller verfügbaren Erkenntnisquellen im Freibeweisverfahren zu überprüfen (vgl. Göhler/Seitz/Bauer OWiG 18. Aufl. § 31 Rn 17, 19; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.3.2012 – 6 Ss 54/12 – DAR 2012, 402).
b) Die Verjährungsfrist betrug für den verfahrensgegenständlichen Verstoß drei Monate (§ 26 Abs. 3 1. Hs. StVG). Sie begann am 26.4.2020, dem Tattag (§ 31 Abs. 3 S. 1 OWiG), wurde zunächst durch die am 25.5.2020 erfolgte Anordnung der Anhörung der Betroffenen (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG) und dann durch den Erlass des Bußgeldbescheides vom 17.8.2020 (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG) unterbrochen, da sich die Betroffene so behandeln lassen muss, als sei der Bußgeldbescheid am 19.8.2020 wirksam zugestellt worden.
aa) Folgender Verfahrensablauf liegt zugrunde:
Der Verkehrsverstoß war mit einem bei der Autovermietung A angemieteten Fahrzeug begangen worden. Die Firma A teilte unter dem 15.5.2020 mit, dass Mieterin die Betroffene war und kein eingetragener zweiter Mieter vorhanden sei. Als Anschrift der Betroffenen teilte die Firma A die F.-Straße 4 in M. mit. Die Zustellung des Bußgeldbescheides erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde am 19.8.2020 durch Einlegung in den zum Geschäftsraum F.-straße 4 in M. gehörenden Briefkasten. Der Verteidiger hat unter dem 24.8.2020 "namens und im Auftrag der Mandantschaft" Einspruch eingelegt. Mit Schriftsatz vom 22.9.2020 beantragte der Verteidiger die Einstellung des Verfahrens wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung und machte geltend, dass die Betroffene weder unter dieser Anschrift in M. wohne noch dort über Geschäftsräume verfüge. An dieser Adresse befände sich lediglich eine Firma X. GmbH, die trotz desselben Namens nichts mit der Betroffenen zu tun habe; die Betroffene sei weder Geschäftsführerin noch Gesellschafterin. Bedauerlicherweise werde diese Adresse häufiger genutzt, um der Betroffenen etwas zuzustellen. Deshalb wisse diese Firma, wer der Verteidiger der Betroffenen ist, und habe deshalb dem Verteidiger den Bußgeldbescheid in Kopie weitergeleitet. Tatsächlich war die Betroffene nur bis zum 12.12.2011 unter dieser Anschrift in M. gemeldet. Auf Anfrage die Tatrichterin vom 4.11.2020 nach der zutreffenden aktuellen Anschrift der Betroffenen teilte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 1.12.2020 mit, dass die Betroffene bereits seit Jahren in Großbritannien wohnhaft sei. Aus dem Fahreignungsregister sei eine Entscheidung des Amtsgerichts M. aus dem Jahr 2018 erkennbar, in welcher auch die aktuelle Anschrift der Betroffenen aufgenommen worden ist. Die Tatrichterin ließ daraufhin mit Verfügung vom 2.12.2020 durch die PI M. die ladungsfähige Anschrift der Betroffenen ermitteln. Die Polizeiinspektion teilte unter dem 28.12.2020 mit, dass die Betroffene seit Jahren dem polizeilichen Sachbearbeiter aus Aufenthalts- und Ermittlungsverfahren bekannt sei. Es sei keine Adresse in Deutschland vorhanden. An der Anschrift in M. befänden sich die Büroräume der Firma X. Immobilien GmbH. Die Betroffene komme aber in unregelmäßigen Abständen vorbei. Im Gebäude wohne ihre Mutter, bei der sie hin und wieder übernachte. Bei einer telefonischen Rückfrage am 28.12.2020 gab sie gegenüber dem polizeilichen Sachbearbeiter an, dass sie derzeit beruflich in H. sei und verwies erneut auf ihre dem polizeilichen Sachbearbeiter bereits bekannte Anschrift in M. In M. seien die Angestellten angewiesen, keine behördliche Post für die Betroffene anzunehmen. Nach den Urteilsfeststellungen wurde die Betroffene am 11.6.2020 wegen eines Handyverstoßes kontrolliert und gab bei der Anhaltung an, dass sie in der F.-Straße 4 in M wohne.
Mit Verfügung vom 4.1.2021 ordnete die Tatrichterin die Zustellung der Ladung an die Betroffene an die von ihr angegebene Adresse in Großbritannien an, zusätzlich die Ladung mit einfachem Brief ...