Hinweis

Zitat

Es wird beantragt, die Vernehmung des Zeugen/der Zeugin (Name) in dem Straf-/Ermittlungs-/Bußgeldverfahren (Behörde und Aktenzeichen) durch Beiziehung dieser Akte in dem Wege des Urkundenbeweises zu verwerten.

Eine Verwertung einer Aussage aus einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises (§ 432 Abs. 1 ZPO) ist zulässig. Einer Zustimmung des Gegners hierzu bedarf es nicht (BGH VersR 1983, 667). Auf entsprechenden Antrag ist die Aussage zu verwerten und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen (BGH NJW-RR 2011, 1079). Es ist lediglich klarzustellen, dass dies zu Beweiszwecken geschieht. Die Verwertung ist auch vor dem Hintergrund zulässig, dass in dem anderen Verfahren vor der Vernehmung eine ordnungsgemäße Belehrung stattgefunden hat.

 

Erläuterung:

Verkehrsunfälle werden in der Regel polizeilich aufgenommen. Im Rahmen der Aufnahme kommt es zur Vernehmung der Unfallbeteiligten und unabhängiger Dritter, die den Unfall beobachtet haben. Die Vernehmungen erfolgen zeitnah nach dem Unfallgeschehen. Die Angaben sind daher umfangreicher und präziser als bei späteren Vernehmungen. Diesen Vorteil sollte man sich in geeigneten Fällen zunutze machen.

Hierfür gibt es die Möglichkeit, diese Vernehmungen im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten. Der Urkundenbeweis gehört wie die anderen Beweisarten der ZPO (Sachverständigenbeweis, Zeugenbeweis etc.) zum "Werkzeugkasten" einer erfolgreichen Prozessführung. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass nicht immer nur pauschal die Beiziehung einer Akte aus einem Straf-/Ermittlungs-/Bußgeldverfahren beantragt wird. Es sollte vielmehr darauf geachtet werden, dass gezielt eine bestimmte Aussage verwertet wird.

Freilich besteht die Möglichkeit, die unmittelbare Anhörung eines Zeugen/einer Zeugin zu beantragen. Hiervon muss dann der Beweisgegner Gebrauch machen, wenn er vermeiden will, dass nur die protokollierte Aussage des früheren Verfahrens verwertet wird. Ein entsprechender Antrag muss spätestens dann erfolgen, wenn das Gericht die frühere Vernehmung zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass es diese verwerten will. Unterlässt das Gericht die unmittelbare Anhörung, obwohl dies von einer Partei beantragt worden ist, ist die ausschließliche Verwertung der protokollierten Aussage unzulässig (BGH MDR 2013, 1184).

Es soll nicht verschwiegen werden, dass die urkundenbeweisliche Verwertung anderweitiger Aussagen unter Umständen nicht den Beweiswert hat, wie eine unmittelbare Zeugenaussage. Insoweit ist problematisch, dass es an dem Grundsatz der Beweisunmittelbarkeit fehlen kann. Allerdings handelt es sich um ein vollwertiges Beweismittel, weshalb auch ein Urteil auf eine solche Aussage gestützt werden kann. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Verkehrsunfallprozesse häufig einige Zeit nach dem Unfall geführt werden. Die Erinnerungen der Zeugen sind dann nicht mehr so frisch wie bei der damaligen Vernehmung. Es kommt auch nicht selten vor, dass Zeugen unauffindbar oder gar in der Zwischenzeit verstorben sind. In solchen Fällen hilft die Verwertung einer Vernehmung aus einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises, um zu dem gewünschten Prozesserfolg zu kommen.

Autor: Martin Diebold

RA Martin Diebold, FA für Verkehrsrecht, Tübingen

zfs 4/2022, S. 183

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