Das in den §§ 403 ff. StPO geregelte Adhäsionsverfahren hat in den letzten Jahren in der Praxis einen richtigen Aufschwung erlebt. Dies führt auch dazu, dass sich in letzter Zeit auch der BGH mehrfach mit der Vergütung des in diesem Verfahren tätigen Rechtsanwalts und – wie hier – mit dem Gegenstandswert befasst hat. Die Entscheidung des BGH gibt Anlass, einige Grundsätze der Anwaltsvergütung im Adhäsionsverfahren zu erörtern.
Anwaltsvergütung im Adhäsionsverfahren
Der Rechtsanwalt, der im erstinstanzlichen Strafverfahren mit der Verfolgung oder Abwehr von vermögensrechtlichen Ansprüchen beauftragt ist, erhält neben seinen sonstigen als Verteidiger des Angeklagten oder als Vertreter eines Privat- oder Nebenklägers anfallenden Gebühren eine zusätzliche Verfahrensgebühr gem. Nrn. 4143, 4144 VV RVG, die sich nach dem Gegenstandswert berechnet. Ist der Rechtsanwalt nicht Verteidiger oder Vertreter eines am Strafprozess Beteiligten, sondern wird er nur mit der Vertretung wegen der vermögensrechtlichen Ansprüche beauftragt, so wird er gebührenrechtlich in einer Einzeltätigkeit tätig. Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG erhält er dann – ebenso wie der Verteidiger oder sonstige Vertreter eines Beteiligten – die zusätzlichen Gebühren nach Nrn. 4143, 4144 VV RVG.
Wird der Rechtsanwalt später wegen desselben Anspruchs, der Gegenstand des Adhäsionsverfahrens ist, in einem Zivilprozess tätig, wird nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4143 VV RVG die zusätzliche Verfahrensgebühr zu einem Drittel auf die im Zivilprozess anfallende Verfahrensgebühr angerechnet.
Persönlicher Anwendungsbereich
Wahlverteidiger
Die zusätzlichen Gebühren nach Nrn. 4143 f. VV RVG kann der als Wahlanwalt tätige Verteidiger abrechnen, wenn er den Beschuldigten auch bei der Abwehr von gegen ihn nach den §§ 403 ff. StPO geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüchen vertritt. Gleiches gilt für den Vertreter eines Privat- oder Nebenklägers, der für seinen Mandanten als Verletzten im Adhäsionsverfahren nicht vermögensrechtliche Ansprüche geltend macht (siehe Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG).
Nebenklägerbeistand
Ist der Rechtsanwalt dem Nebenkläger im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet und macht er für seinen Mandanten im Adhäsionsverfahren auch vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Angeklagten geltend, erhält er aus der Staatskasse die hierfür anfallenden Gebühren nach Nrn. 4143, 4144 VV RVG nur, wenn er dem Nebenkläger gem. § 404 Abs. 5 S. 2 StPO, § 121 Abs. 2 ZPO ausdrücklich für das Adhäsionsverfahren beigeordnet worden ist (BGH NJW 2001, 2486; KG RVGreport 2011, 142 [Burhoff]). Dies setzt – wie auch sonst als Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe – die Bedürftigkeit, die fehlende Mutwilligkeit und die hinreichende Aussicht auf Erfolg für die Verfolgung der vermögensrechtlichen Gegenstände voraus.
Pflichtverteidiger
Ob die Bestellung zum Pflichtverteidiger auch die Vertretung im Adhäsionsverfahren umfasst, war bis vor kurzem umstritten. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH (AGS 2021, 431 [Burhoff] = zfs 2021, 703 mit Anm. Hansens; BGH NStZ-RR 2022, 316) erstreckt sich die Bestellung zum Pflichtverteidiger auch auf das Adhäsionsverfahren, sodass eine gesonderte Beiordnung des Pflichtverteidigers im Wege der Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt. Dem schließen sich nach und nach die OLG an (so OLG Brandenburg AGS 2022, 211 [Burhoff]).
Verfahrensrechtliche Anknüpfung
Welche der im RVG vorgesehenen zusätzlichen Gebühren für die Vertretung im Adhäsionsverfahren anfallen, richtet sich nach der Instanz. Geht es um die Geltendmachung oder Abwehr vermögensrechtlicher Ansprüche im vorbereitenden Verfahren, finden die Nrn. 4143, 4144 VV RVG keine Anwendung, weil der Gesetzeswortlaut ausdrücklich vom "erstinstanzlichen Verfahren" spricht. Dies hat zur Folge, dass die entsprechende Tätigkeit des Rechtsanwalts durch die Geschäftsgebühren nach den Nrn. 2300 ff. VV RVG abgegolten wird (AnwKomm-RVG/N. Schneider, 9. Auflage 2021, Nrn. 4143 bis 4144 VV RVG, Rn 15). Im Strafverfahren erster Instanz fällt dem Rechtsanwalt für die Vertretung im Adhäsionsverfahren nach Nr. 4143 VV RVG eine 2,0 Verfahrensgebühr an. Dies gilt nach Abs. 1 der Anm. zu Nr. 4143 VV RVG auch dann, wenn vermögensrechtliche Ansprüche erstmalig im Berufungsverfahren geltend gemacht werden. Waren die vermögensrechtlichen Gegenstände bereits erstinstanzlich anhängig, entsteht für den Rechtsanwalt, der insoweit die Vertretung auch im Berufungs- und/oder im Revisionsverfahren übernommen hat, die Verfahrensgebühr nach Nr. 4144 VV RVG mit einem Gebührensatz von 2,5.
Die zusätzliche Verfahrensgebühr
Anfall
Die zusätzliche Verfahrensgebühr entsteht – wie auch die sonstigen Verfahrensgebühren – nach Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Bereits die erste Tätigkeit, die der Rechtsanwalt im Hinblick auf die Verfolgung oder Abwehr vermögensrechtlicher Ansprüche entfaltet, löst somit die volle Verfahrensgebühr aus. Dies wird im Regelfall die Information sein, die der...