1. Dass die Kl. infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung auf Dauer zu mehr als 50 % in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt und damit berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen ist, steht aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme … fest.
2. Das LG hat auch zutreffend angenommen, dass die von der Bekl. ausgesprochene Vertragsänderung nicht rückwirkend zu einer Anpassung des Versicherungsvertrages mit Wirkung auch für den streitgegenständlichen Leistungsfall gefühlt hat.
a. Allerdings liegen die formellen Voraussetzungen für eine solche Anpassung vor. Die Bekl. hat die Anpassung am 10.10.2016 und damit innerhalb eines Monats nach Kenntnis von den ärztlichen Behandlungen der Kl. im Fünf-Jahreszeitraum vor Antragstellung (14.6.2008-13.6.2013) durch die Auskunft der xxx vom 5.9.2016 (Eingang bei der Bekl.: 12.9.2016) erklärt (§ 21 Abs. 1 VVG). Auch ist die Kl. in Textform und hinreichend hervorgehoben über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung aufgeklärt worden (§ 19 Abs. 5 VVG). Das Erfordernis einer gesonderten Mitteilung über die Folgen einer Anzeigeverletzung ist bei einer Belehrung auf dem Antragsformular – wie sie hier gegeben ist – zwar nur gewahrt, wenn die Belehrung in unmittelbarer Nähe zu den Gesundheitsfragen erfolgt und drucktechnisch so hervorgehoben wird, dass sie ein durchschnittlich aufmerksamer VN schlechterdings nicht übersehen kann (…). Diese Anforderungen sind hier jedoch erfüllt. Auch inhaltlich entspricht die Belehrung den in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen, insbesondere enthält sie auch einen Hinweis auf die Möglichkeit eines rückwirkenden Leistungsausschlusses bei einer Anzeigepflichtverletzung (zu diesem Erfordernis vgl. Senat, Urt. v. 6.6.2017 – 4 U 1460/16 – juris). …
b. Vorliegend fehlt es jedoch an einem Anpassungsgrund im Sinne des § 19 Abs. 4 S. 2 VVG. Hiernach ist der VR zur Vertragsanpassung berechtigt, wenn ein Rücktrittsgrund nach § 19 Abs. 2 VVG oder ein Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 3 S. 2 VVG vorliegt, der Rücktritt oder die Kündigung aber nach § 19 Abs. 4 S. 1 VVG ausgeschlossen ist, weil der Antragsteller den Nachweis führen könnte, dass es an der Vertragskausalität fehlt. Die Rechte des VR nach § 19 Abs. 4 VVG entstehen nur dann, wenn der VN seine Obliegenheit verletzt, dem VR die ihm bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung bekannten Gefahrumstände anzuzeigen. Daran fehlt es hier.
c. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist bereits zweifelhaft, ob der Kl. eine unzutreffende Beantwortung der Frage 6.14 nach Krankheiten, Funktionsstörungen, Beschwerden, Behandlungen der Psyche“ zur Last fällt. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweiserhebung, gegen das insoweit auch die Bekl. nichts erinnert, war Anlass für die Vorstellung der Kl. beim Hausarzt und die Überweisung an eine Fachärztin die Befürchtung der Mutter, die Kl. könne in den vor ihr liegenden Abiturprüfungen an "Lampenfieber" leiden. Eine generalisierte oder spezifische Angststörung im Sinne der ICD-10 Kategorisierung wurde nach den von einem Psychologen durchgeführten Untersuchungen nicht festgestellt. Als Krankheit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung kommt jedoch nur ein Zustand in Betracht, der vom normalen Gesundheitszustand so stark und so nachhaltig abweicht, dass er geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit oder die berufliche Einsatzmöglichkeit dauerhaft zu beeinträchtigen (allg. Auffassung vgl. nur Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. § 2 Bü Rn 4 m.w.N.).
Hierzu zählt ein alterstypisch ausgeprägtes "Lampenfieber" unterhalb der Schwelle zur krankhaften Prüfungsangst indes nicht. Es stellt nach Auffassung des Senats auch noch keine "Beschwerde" der Psyche dar. Zwar darf der VR auch solche Beeinträchtigungen erfragen, die noch keinen Krankheitswert haben, weil ihm allein die Entscheidung obliegt, unter welchen Voraussetzungen er einen Versicherungsvertrag abschließen will. Die weit gefasste Pflicht des VN zur Offenbarung findet aber ihre Grenze bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen. (Senat, Beschl. v. 29.4.2021 – 4 U 2453/20 –, Rn 16, juris … Dies prägt auch das Verständnis des Begriffs der "Beschwerden" im Sinne der Antragsfragen.
Ein keiner weiteren Behandlung bedürfendes "Lampenfieber", das nicht in ein Vermeidungsverhalten mündet und unter Umständen der Konzentration des Vortragenden sogar noch dienlich ist, kann angesichts dieser immanenten Beschränkung keine Anzeigepflicht begründen.
d. Es spricht allerdings einiges dafür, dass die von der Hausärztin im Juni 2008 veranlasste Überweisung an einen Psychologen bereits eine anzeigepflichtige "Behandlung der Psyche" im Sinne der Antragsfragen war.
Da in den Antragsfragen nicht nach "Untersuchungen" gefragt war, ist die "Behandlung" allerdings hiervon abzugrenzen. Sie liegt fraglos dann vor, wenn eine Therapie eingeleitet wird, etwa durch eine Medikation oder einen Eingriff. Demgegenüber fehlt es an einer solchen Behandlung, wenn eine ...