OWiG § 67; StPO § 302
Leitsatz
1. Die nachträgliche Beschränkung eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch stellt eine teilweise Rücknahme des Einspruchs dar, für deren Wirksamkeit der Verteidiger gemäß § 67 Abs. 1 S. 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung des Betroffenen bedarf.
2. Die ausdrückliche Ermächtigung des Betroffenen zur Beschränkung des Einspruchs ist auch dann erforderlich, wenn dem Verteidiger eine Vertretungsvollmacht im Sinne von § 73 Abs. 3 OWiG erteilt worden war.
3. Die ausdrückliche Ermächtigung kann sich aus der in der Vollmachtsurkunde vorgesehenen Befugnis, Rechtsmittel einzulegen und zurückzunehmen, ergeben, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung des Einspruchsverfahrens erteilt wurde. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Vollmacht im Ermittlungsverfahren nach Anhörung des Betroffenen und vor Erlass des Bußgeldbescheids erteilt worden war.
BayObLG, Beschl. v. 21.12.2023 – 202 ObOWi 1264/23
1 Sachverhalt
Gegen die Betroffene erging ein Bußgeldbescheid wegen einer Überschreitung der außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit über 225 EUR sowie 1 Monat Fahrverbot mit Schonfrist. In der Hauptverhandlung beschränkte der Verteidiger der von der Erscheinenspflicht entbundenen Betroffenen den Einspruch gemäß § 67 Abs. 2 OWiG "auf die Rechtsfolgen". Das Urteil lautete wie der Bußgeldbescheid. Das BayObLG hat die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des AG verworfen.
2 Aus den Gründen:
[…] III. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthaften Rechtsbeschwerde deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
Der näheren Erörterung bedarf nur das Folgende:
Die vom Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war wirksam, was der Senat aufgrund der erhobenen Sachrüge von Amts wegen zu prüfen hat (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BayObLG, Beschl. v. 22.11.2023 – 202 StRR 86/23).
1. In der nachträglichen Beschränkung des zunächst unbeschränkt eingelegten Einspruchs liegt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs, die durch den Verteidiger gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO nur mit "ausdrücklicher Ermächtigung" der Betroffenen erklärt werden konnte. Die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs stellt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs dar (vgl. auch Löwe-Rosenberg/Jesse StPO 26. Aufl. [2014] § 302 Rn 44), weil hierdurch der Prüfungsumfang des Gerichts reduziert wird. Dem steht nicht entgegen, dass im Falle einer Revision deren Beschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte, die mit der Revisionsbegründung vorgenommen wird, nicht als Teilrücknahme in diesem Sinne, sondern lediglich als Konkretisierung des zunächst offen gebliebenen Anfechtungsumfangs anzusehen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4; BGH, Urt. v. 23.10.1991 – 3 StR 321/91, NStZ 1992, 126). Dieser Grundsatz, von dem dann eine Ausnahme gemacht wird, wenn die Beschränkung der Revision erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgt (BGH, Urt. v. 18.7.2013 – 4 StR 100/13, NStZ-RR 2013, 352), kann auf den Einspruch nicht übertragen werden. Denn er beruht allein auf der Besonderheit des Revisionsrechts, wonach der Beschwerdeführer gemäß § 344 Abs. 1 StPO die Erklärung abzugeben hat, inwieweit er das Urteil anfechten will (KG, Beschl. v. 19.2.1999 – 2 Ss 419/98 – 5 Ws [B] 717/98). Dagegen wird durch den Einspruch, der nach der gesetzlichen Regelung gerade keiner Begründung bedarf, der Bußgeldbescheid in vollem Umfang angefochten, sofern er nicht bereits mit der Einlegung nach § 67 Abs. 2 OWiG auf einen bestimmten Beschwerdepunkt beschränkt ist (OLG Bamberg, Beschl. v. 3.4.2018 – 3 Ss OWi 330/18, zfs 2018, 588).
2. Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war auch mit Blick auf § 67 Abs. 1 S. 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO rechtswirksam.
a) Allerdings folgt dies entgegen der vereinzelt von Oberlandesgerichten vertretenen Rechtsauffassung (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.12.2020 – 2 Ss-OWi 1347/20, NStZ-RR 2021, 83; KG, Beschl. v. 1.7.2020 – [4] 121 Ss 71/20, BeckRS 2020, 17854) noch nicht daraus, dass dem Verteidiger eine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG erteilt worden war. Die hierfür angeführte Begründung, die Vorschrift des § 302 Abs. 2 StPO sei nicht anwendbar, weil es sich um eine Erklärung des Angeklagten bzw. Betroffenen handle, der von seinem Verteidiger "im Willen" vertreten werde, erschöpft sich in einem rein formalen Argument, das überdies außer Acht lässt, dass ein Vertreter – im Gegensatz zu einem Boten, der eine fremde Willenserklärung nur übermittelt – eine eigene Willenserklärung, wenn auch in fremdem Namen abgibt, von einer eigenen Erklärung des Betroffenen deshalb nicht die Rede sein kann. Zudem setzt sich diese Ansicht über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinweg, ignoriert den Zweck, ...