(gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
I. Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden. In der Sache hat nur die Berufung der Beklagten Erfolg. Ansprüche der Klägerin bestehen nicht. Im Einzelnen:
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gem. § 839 Abs. 1, § 253 BGB; Art. 34 GG; § 256 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die ihr obliegende Streupflicht nicht verletzt.
a) Grundsätzlich hat die Beklagte gem. § 10 Abs. 1; § 52 Abs. 1 Nr. 3c NStrG die Verkehrsteilnehmer vor den von der Straße ausgehenden und bei ihrer zweckgerechten Benutzung drohenden Gefahren zu schützen. Dazu gehört, dass die Beklagte dafür Sorge trägt, dass u.a. Gehwege eine möglichst gefahrlose Benutzung zulassen und somit bei Glätte gestreut sind.
Die Pflicht der öffentlichen Hand, Straßen und Wege bei Schnee und Eis zu räumen und zu bestreuen, kann sich sowohl aus der Pflicht zur polizeimäßigen Reinigung, die in Niedersachsen in § 52 des Straßengesetzes (NStrG) geregelt ist, als auch aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergeben. Zwischen diesen Pflichten braucht vorliegend nicht unterschieden zu werden, da sie, soweit es – wie hier – um die Sorge für die Sicherheit des Straßenverkehrs geht, deckungsgleich sind (vgl. BGH, Urt. v. 5.4.1990 – III ZR 4/89 –, Rn 14, juris; BGH, Urt. v. 11.6.1992 – III ZR 134/91 –, BGHZ 118, 368-374, Rn 10; BGH, Urt. v. 21.11.1996 – III ZR 28/96 – VersR 1997, 311, 312) und in Niedersachsen nicht nur die Aufgabe der polizeimäßigen Reinigung, sondern auch die der Verkehrssicherungspflicht gemäß § 10 Abs. 1 NStrG als Amtspflicht in Ausübung öffentlicher Gewalt ausgestaltet ist.
b) Diese Verpflichtung unterliegt indes sowohl rechtlichen als auch praktischen Einschränkungen.
aa) Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht daher nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt (BGH, Beschl. v. 20.10.1994 – III ZR 60/94 –, Rn 7, juris).
Entsteht eine Glätte erst im Laufe des Tages, muss dem Pflichtigen ein angemessener Zeitraum zur Verfügung stehen, um die erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Glätte einzuleiten. Der Pflichtige braucht aber keine zwecklosen Maßnahmen zu ergreifen. Dichter Schneefall kann sehr bald alle Streumittel so weit bedecken, dass sie wirkungslos werden; in solchen Fällen wird dem Verpflichteten wiederum eine angemessene Frist gewährt, bis er nach Beendigung eines solchen dichten Schneefalls mit dem Streuen beginnen muss (BGH, Urt. v. 22.11.1965 – III ZR 32/65 –, Rn 31, juris). Andererseits befreit auch anhaltender oder drehender Schneefall nicht unter allen Umständen von der Streupflicht (BGH, Urt. v. 22.11.1965 – III ZR 32/65 –, Rn 31, juris; umfassend hierzu: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 28.8.2023 – 2 U 1/23 –, Rn 31 m.w.N., juris). Die Streupflicht besteht unverzüglich, d.h. im Rahmen einer gewissen Zeitspanne nach Beendigung des Schneefalls (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.1998 – 22 U 154/97 –; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 28.8.2023 – 2 U 1/23 –, beide zitiert nach juris).
Für Fußgänger müssen die Gehwege, soweit auf ihnen ein nicht unbedeutender Verkehr stattfindet, sowie die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege bestreut werden (BGH, Beschl. v. 20.10.1994 – III ZR 60/94; BGH, Urt. v. 9.10.2003 – III ZR 8/03 –, Rn 4 – 5, juris).
bb) Grundsätzlich muss der Verletzte alle Tatsachen beweisen, aus denen sich sein Anspruch ergibt, also hier alle Umstände, aus denen eine Streupflicht erwächst und sich eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht ergibt. Er muss z.B. nachweisen, dass eine solche Glätte herrschte, die ein Bestreuen zur Beseitigung der für diese Örtlichkeit bestehenden Gefahren nötig machte; er muss nachweisen, dass es sich um eine solche Stelle handelte, bei der überhaupt eine Streupflicht besteht; er muss auch beweisen, dass er infolge dieser Glätte eine Verletzung erlitten hat. Er muss auch bei Streit darüber, ob die zeitlichen Grenzen der Streupflicht beachtet sind, den Sachverhalt dartun, der ergibt, dass zur Zeit des Unfalls bereits oder noch eine Streupflicht bestand, also unter Umständen die genaue Uhrzeit des Unfalls dartun oder die Überschreitung der angemessenen Zeit nach Auftreten der Glätte im Verlaufe eines Tages (BGH, Urt. v. 22.11.1965 – III ZR 32/65 –, Rn 32, juris).
c) Nach den vorgenannten Maßstäben hat die Beklagte ihrer Räum- und Streupflicht genügt.
aa) Soweit die Klägerin bestritten hat, dass die Beklagte die maßgebliche Unfallstelle überhaupt gestreut habe, ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtig...