In unserem Beispielsfall geht es um ein verkehrsrechtliches Vergehen. Zu klären ist, ob die ARB eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung geleisteter Vorschüsse wegen der schließlich erfolgten rechtskräftigen Verurteilung enthalten.

a) Voraussetzungen und Umfang einer Rückzahlungsverpflichtung

Der Versicherungsnehmer genießt bei den verkehrsrechtlichen Straftaten von Anfang an Versicherungsschutz (§ 2 i aa S. 1 ARB 94/2000/2008), selbst für die Verteidigung gegen den Vorwurf eines nur vorsätzlich begehbaren Delikts (z.B. § 142 StGB). Dieser Rechtsschutz besteht, bis rechtskräftig festgestellt wird, dass der Versicherungsnehmer das Vergehen vorsätzlich begangen hat. In diesem Fall ist der Versicherungsnehmer zur Rückzahlung der Beträge verpflichtet, die der Rechtsschutzversicherer "für die Verteidigung wegen des Vorwurfs eines vorsätzlichen Vergehens" getragen hat“ (§ 2 i aa S. 2 ARB 94/2000/2008).

Verkannt wird hierbei häufig, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut der vertraglichen Erstattungsregelung[2] nicht stets sämtliche Kosten zurückzuerstatten sind. Denn wenn zunächst – z.B. im Ermittlungsverfahren – der Vorwurf der fahrlässigen Begehung erhoben wird und es erst später – z.B. auf Grund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nach rechtlichem Hinweis gem. § 265 StPO – zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Vorsatztat kommt, sind nur die nach Umstellung des Vorwurfes von Fahrlässigkeit auf Vorsatz entstandenen Kosten zu erstatten.[3] Auch nach der abweichenden Formulierung in § 20 Abs. 4 ARB 75 (danach sind die Leistungen zu erstatten, "die der Versicherer für ihn erbracht hat, nachdem dem Versicherungsnehmer ein vorsätzliches Verhalten zur Last gelegt wurde") gilt im Ergebnis ebenso, dass der Rechtsschutz erst ex nunc ab Umstellung des Vorwurfes auf Vorsatz entfällt.[4]

[2] Für den Erstattungsanspruch gilt nach BGH VersR 1991, 1357 die Verjährung des § 12 Abs. 1 VVG a.F.
[3] Van Bühren-Bauer/Schneider, Handbuch Versicherungsrecht, 3. Aufl., Bonn 2007, § 13 Rn 149.
[4] So für die ARB 75 bereits Prölss/Martin-Prölss/Armbrüster, VVG, 27. Aufl., München 2004, § 4 ARB 75 Rn 50.

b) Zuordnung der Rechtsverfolgungskosten bei Umstellung des Schuldvorwurfs

Bei den entstandenen Rechtsverfolgungskosten ist daher abzugrenzen, welche Kosten bereits vor der Umstellung des Vorwurfs auf Vorsatz entstanden sind und welche erst zeitlich später. Lediglich letztere sind zu erstatten. Nun wird sich hierbei allerdings schwerlich damit argumentieren lassen, dass gebührenrechtlich bereits mit Beginn des jeweiligen Verfahrensabschnitts (Ermittlungsverfahren, amtsgerichtliches Verfahren, Hauptverhandlung) die jeweiligen Verfahrensgebühren bzw. die Terminsgebühr entstehen und daher selbst bei einer frühzeitigen Umstellung des Vorwurfes innerhalb des jeweiligen Stadiums die Gebühr vollständig unter Deckungsschutz bliebe. Diese Sicht würde nicht berücksichtigen, dass sich die Höhe der Gebühr innerhalb des vom Gesetz vorgesehenen Gebührenrahmens gem. § 14 RVG nicht unwesentlich auch nach (Umfang und Schwierigkeit) der Tätigkeit des Rechtsanwalts bestimmt. Daher dürfte eine Abgrenzung, welcher Gebührenanteil bei einem Wechsel des Vorwurfes von Fahrlässigkeit auf Vorsatz der jeweiligen Verteidigung zuzuordnen ist, entsprechend der jeweils entfalteten Tätigkeit sowie Schwere und Bedeutung der jeweiligen Vorwürfe nahe liegen, ähnlich wie bei einem Teilfreispruch gem. § 467 StPO.

In unserem (bewusst als Extremfall gebildeten) Beispielsfall käme frühestens auf Grund des rechtlichen Hinweises die Annahme einer Umstellung des Vorwurfes von Fahrlässigkeit auf Vorsatz in Betracht.[5] In diesem Fall hätte, falls der rechtliche Hinweis erst nach den Plädoyers erfolgt ist und sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung lediglich auf ihre bisherigen Plädoyers bezogen haben, der Verteidiger nach dem Hinweis praktisch keine abgrenzbare weitere Tätigkeit mehr entfaltet. Dementsprechend wären i.S.d. § 2 i aa S. 2 ARB 94/2000/2008 keinerlei Kosten "für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines vorsätzlichen Verhaltens" entstanden und folglich auch keinerlei Kosten zu erstatten. Auch i.S.d. § 20 Abs. 4 ARB 75 wären keinerlei Kosten erbracht worden oder auch nur entstanden, "nachdem dem Versicherungsnehmer ein vorsätzliches Verhalten zur Last gelegt wurde".

[5] Aus strafrechtlicher Sicht dürfte dies allerdings bereits zweifelhaft sein, denn der rechtliche Hinweis des Gerichts nach § 265 StPO bedeutet bei anderweitiger Anklage (wegen Fahrlässigkeit) weder, dass die Staatsanwaltschaft nunmehr den Tatvorwurf des vorsätzlichen Handelns erhebt, noch, dass das Gericht nunmehr von vorsätzlichem Handeln ausgeht. Es wird lediglich zur Ermöglichung des rechtlichen Gehörs darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung wegen Vorsatzes in Betracht kommt.

c) Abgrenzung des Tatvorwurfs vorsätzlichen/fahrlässigen Handelns im Ermittlungsverfahren

Während in unserem Beispielsfall auf Grund der Anklage sowie des rechtlichen Hinweises noch verhältnismäßig deutliche Anhaltspunkte für die Frage bestehen, wann von einem Vorsatzvorwurf und wann von einem Fahrlässigkeitsvorwurf auszugehen ist, dürfte im Ermittlungsverfahren regelmäßig eine klare Festlegung durch die Verfolgungsbehörden fehlen. ...

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