I. Einleitung
Bekanntlich entfällt die Deckung in der Rechtsschutzversicherung beim Straf-Rechtsschutz, wenn der Versicherte wegen einer Vorsatztat rechtskräftig verurteilt wird. So gehen Rechtsschutzversicherer wie Rechtsanwälte regelmäßig davon aus, dass in einem solchen Fall eventuell zuvor vom Rechtsschutzversicherer geleistete Vorschüsse diesem vollständig zu erstatten sind, wegen des Dreiecksverhältnisses freilich vom Versicherten und nicht vom Rechtsanwalt.
Im Bereich der ausschließlich vorsätzlich begehbaren Delikte (wie im Verkehrsbereich klassischerweise das unerlaubte Entfernen vom Unfallort gem. § 142 StGB) ist diese Annahme ohne Zweifel zutreffend. Dass diese häufig jedoch auch bei den sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig strafbaren Vergehen (typischerweise Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB oder Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c StGB) anzutreffende Praxis unzutreffend ist, soll anhand des folgenden Beispielsfalls aus dem Bereich des Verkehrsrechts veranschaulicht werden:
Die StA ermittelt gegen den Versicherungsnehmer (VN) einer Rechtsschutzversicherung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und erhebt schließlich Anklage. In der Hauptverhandlung wendet sich die Beweisaufnahme, sodass das Gericht nach den Plädoyers einen rechtlichen Hinweis i.S.d. § 265 StPO erteilt, wonach auch eine Verurteilung wegen Vorsatzes in Betracht kommt. Der Versicherungsnehmer wird sodann wegen einer (vorsätzlichen) Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt.
Der Rechtsschutzversicherer verweigert daraufhin weitere Zahlungen und fordert die gem. § 9 RVG geleisteten Vorschüsse zurück.
II. Regelungen in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB)
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtsschutzdeckung sind die jeweils vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB). Die für den vorliegend relevanten Straf-Rechtsschutz üblichen Klauseln lauten wie folgt:
a) ARB 75
§ 4 Abs. 3 ARB 75:
Wird dem Versicherungsnehmer vorgeworfen,
- eine Vorschrift des Strafrechtes verletzt zu haben, besteht nur dann Versicherungsschutz, wenn ihm ein Vergehen zur Last gelegt wird, das sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden kann. Versicherungsschutz besteht, solange dem Versicherungsnehmer ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird oder wenn keine rechtskräftige Verurteilung wegen Vorsatzes erfolgt. Diese Regelung gilt auch für Rauschtaten (§ 323a Strafgesetzbuch), es sei denn, dass die im Rausch begangene, mit Strafe bedrohte Handlung ohne Rausch nur vorsätzlich begangen werden kann;
- eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, die den Tatbestand der Verletzung einer verkehrsrechtlichen Vorschrift erfüllt, besteht nur dann kein Versicherungsschutz, wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass der Versicherungsnehmer die Straftat vorsätzlich begangen hat. Für Rauschtaten (§ 323a Strafgesetzbuch) besteht Versicherungsschutz auch dann nicht, wenn die im Rausch begangene Verletzung einer verkehrsrechtlichen Vorschrift nach der Begründung des rechtskräftigen Urteiles ohne Rausch eine mit Strafe bedrohte Handlung gewesen wäre, die nur vorsätzlich begangen werden kann.
§ 20 Abs. 4 ARB 75:
Wird der Versicherungsnehmer wegen vorsätzlicher Verletzung einer Vorschrift des Strafrechtes rechtskräftig verurteilt und ist der Versicherungsschutz deshalb gem. § 4 Absatz 3 ausgeschlossen, ist der Versicherungsnehmer zur Rückzahlung der Leistungen verpflichtet, die der Versicherer für ihn erbracht hat, nachdem dem Versicherungsnehmer ein vorsätzliches Verhalten zur Last gelegt wurde. [ … ]
b) ARB 94/2000/2008
§ 2 ARB 94 (VdS-Musterbedingungen, Stand Januar 1995) bzw. ARB 2000 (GDV-Musterbedingungen, Stand Juli 2006) bzw. ARB 2008 (GDV-Musterbedingungen, Stand Juli 2007):
Der Umfang des Versicherungsschutzes kann in den Formen des § 21 bis § 29 vereinbart werden. Je nach Vereinbarung umfasst der Versicherungsschutz
[ … ]
i) Straf-Rechtsschutz
für die Verteidigung wegen des Vorwurfes
aa) |
eines verkehrsrechtlichen Vergehens. Wird rechtskräftig festgestellt, dass der Versicherungsnehmer das Vergehen vorsätzlich begangen hat, ist er verpflichtet, dem Versicherer die Kosten zu erstatten, die dieser für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines vorsätzlichen Verhaltens getragen hat; |
bb) |
eines sonstigen Vergehens, dessen vorsätzliche wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist, solange dem Versicherungsnehmer ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Wird dem Versicherungsnehmer dagegen vorgeworfen, ein solches Vergehen vorsätzlich begangen zu haben, besteht rückwirkend Versicherungsschutz, wenn nicht rechtskräftig festgestellt wird, dass er vorsätzlich gehandelt hat. [Nur ARB 2000 und 2008 zusätzlich:] Es besteht also bei dem Vorwurf eines Verbrechens kein Versicherungsschutz; ebenso wenig bei dem Vorwurf eines Vergehens, das nur vorsätzlich begangen werden kann (z.B. Beleidigung, Diebstahl, Betrug). Dabei kommt es weder auf die Berechtigung des Vorwurfes noch ... |