StVG § 17; StVO § 9 § 9a
Leitsatz
1) Auch im Kreisverkehr gelten beim Ausfahren durch Rechtsabbiegen die Pflichten aus § 9 Abs. 1 StVO.
2) § 9a StVO regelt dagegen für bestimmte Arten des Kreisverkehrs lediglich das Verhalten bei der Einfahrt (Abs. 1) und das Verhalten bei Vorhandensein einer Mittelinsel (Abs. 2).
3) Der Fahrtrichtungsanzeiger ist dann "rechtzeitig" i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 1 StVO betätigt, wenn sich der Verkehr auf das Abbiegen einstellen kann: Maßgeblich ist dafür weniger die Entfernung vom Abbiegepunkt als vielmehr die Zeit zwischen Anzeigebeginn und Abbiegen unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeit.
4) Will der Kläger eine Mithaftung des Bevorrechtigten damit begründen, dieser hätte den Unfall durch rechtzeitige unfallverhütende Reaktion vermeiden können, so muss er darlegen und beweisen, dass sich der Bevorrechtigte durch überhöhte Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren oder sich im Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Vorfahrtsverletzung in einer solchen Entfernung vom Kollisionsort befand, dass eine unfallverhütende Reaktion möglich gewesen wäre.
(Leitsätze des Einsenders)
KG, Beschl. v. 27.8.2007 – 12 U 141/07
Sachverhalt
Der Kläger, Eigentümer und Halter eines Pkw, hat den Ersatz des Fahrzeugschadens aus einem Verkehrsunfall vom 15.12.2005 gegen die Beklagten geltend gemacht. An diesem Tage fuhr der Bruder des Klägers mit dessen Pkw auf dem dritten Fahrstreifen von rechts in den Kreisverkehr ein. Rechts von ihm fuhr der Beklagte zu 2) im Kreisverkehr mit seinem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Pkw. Der Bruder des Klägers beabsichtigte, an der nächsten Ausfahrt nach rechts in den G Damm abzubiegen, während der Beklagte zu 2) eine Ausfahrt später den Kreisverkehr verlassen wollte.
Der Bruder des Klägers steuerte das Fahrzeug von dem dritten Fahrstreifen im Kreisverkehr nach rechts zur Ausfahrt G Damm und stieß mit dem von dem Beklagten zu 2) im Kreisverkehr auf dem zweiten Fahrstreifen geradeaus fahrenden Pkw zusammen.
Das LG verneinte eine Haftung der Beklagten für die Schäden am Fahrzeug des Klägers. Der Senat wies auf die Berufung des Klägers, der lediglich 50 % der ihm unfallbedingt erwachsenen Schäden ersetzt verlangte, auf die fehlende Erfolgsaussicht der Klage hin.
Aus den Gründen
“Der Kläger meint, die Beklagte müsse zu 50 % für seinen unfallbedingten Schaden haften, weil auch sie gegen die erhöhte Pflicht zur Vorsicht und Rücksichtnahme aus § 1 StVO verstoßen habe, die ihr – ebenso wie ihm, dem Kläger – als sich im Kreisverkehr bewegenden Verkehrsteilnehmern auferlegt sei. Entgegen der Auffassung des LG sei § 9 StVO auf das Abbiegen aus dem Kreisverkehr nicht anwendbar. Vielmehr seien nach den auf der Fahrbahn vorhandenen Spurzeichnungen beide Fahrzeuge berechtigt gewesen, jeweils im Kreisverkehr zu bleiben oder diesen an der Ausfahrt Goerdeler Damm zu verlassen; daher gäbe es keinen Anscheinsbeweis gegen ihn, den Kläger; auch sei der rechte Fahrtrichtungsanzeiger betätigt worden, die Beklagte hätte unfallverhütend reagieren können und das LG sei verfahrensfehlerhaft dem entsprechenden Beweisantritt nicht nachgegangen.
Dies Argumentation rechtfertigt keine Abänderung der zutreffenden angefochtenen Entscheidung.
a) Das LG hat – unabhängig von einem Anscheinsbeweis – Sorgfaltspflichtverletzungen des Klägers zutreffend positiv festgestellt (Abbiegen nach rechts aus dem dritten Fahrstreifen von rechts ohne hinreichend auf den Verkehr rechts von ihm zu achten).
Diese Bewertung des Geschehens durch das LG ist auch richtig.
Entgegen der Auffassung des Klägers auf S. 2 der Berufungsbegründung gilt § 9 Abs. 1 StVO auch im Kreisverkehr und für das Abbiegen nach rechts aus dem Kreisverkehr (vgl. nur Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, StVO § 9 Rn 19).
§ 9a StVO regelt dagegen für bestimmte Arten des Kreisverkehrs lediglich das Verhalten bei der Einfahrt (Abs. 1) und das Verhalten bei Vorhandensein einer Mittelinsel (Abs. 2). Für das Ausfahren aus dem Kreisverkehr gilt § 9 Abs. 1 StVO; für das Fahren im Kreisverkehr gilt darüber hinaus das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO (vgl. nur OLG Hamm DAR 2004, 90; Hentschel, a.a.O., StVO § 2 Rn 32; Heß, in: Janiszewski u. a., Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl. 2006, StVO § 2 Rn 49).
Somit war es sorgfaltswidrig, dass der Sohn des Klägers als Führer des klägerischen Fahrzeugs im Kreisverkehr nicht möglichst weit rechts gefahren ist, sich zum Zwecke des Abbiegens nach rechts nicht möglichst weit rechts eingeordnet und auch vor dem Abbiegen nach rechts nicht hinreichend auf den nachfolgenden Verkehr geachtet hat (§§ 2 Abs. 2, 9 Abs. 1 S. 2 und 4 StVO).
b) Ein Mitverschulden der Zweitbeklagten am streitgegenständlichen Unfall kann nicht festgestellt werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers werden die vorstehenden Verhaltensregeln auch nicht außer Kraft gesetzt durch die im Kreisverkehr vorhandenen Fahrstreifenmarkierungen; richtig weist der Kläger allerdings darauf hin, dass die im Kreisverkehr Fahrenden besonders vorsichtig fahren müssen; dies ...