AG Erfurt: Auffahrunfall auf der Autobahn

Wer auf einer Autobahn von hinten auffährt, muss schon sehr gute Gründe haben, warum er nicht gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen hat. Denn grundsätzlich spricht der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden.

Eine Frau fuhr mit ihrem Peugeot auf einer Autobahn mit 70 km/h und wollte diese bei der nächsten Ausfahrt verlassen. Dabei kam es zu einem Auffahrunfall mit 2 nachfolgenden Fahrzeugen. Das erste, ein VW Polo, fuhr auf den Peugeot auf, das 2. Fahrzeug wiederum auf den Polo.

Totalschaden am vorausfahrenden Fahrzeug

An dem Peugeot entstand ein Totalschaden. Den wollte die Klägerin ersetzt bekommen, plus die angefallenen Sachverständigengebühren, die Kosten einer Übernachtung und eine Auslagenpauschale. Alles in allem etwa 3.700 EUR. Ihre Argumentation: Die nachfolgenden Fahrer seien infolge von Unachtsamkeit und nicht angepasster Geschwindigkeit auf sie aufgefahren.

Die Beklagten behaupteten wiederum, die Peugeot-Fahrerin habe ihr Fahrzeug auf Höhe der beginnenden Ausfahrt ohne zwingenden Grund, plötzlich und unvorhersehbar mit einer Vollbremsung zum Stehen gebracht.

Amtsgericht Auffahrende müssen für Schaden aufkommen

Das Amtsgericht folgte den Forderungen der Klägerin. Die Fahrer der beiden nachfolgenden Fahrzeuge sind gesamtschuldnerisch zur Zahlung des eingeforderten Betrags verpflichtet.

Nachdem keine der Parteien darlegen oder nachweisen konnte, dass der Unfall für sie ein unabwendbares Ereignis im Sinne der Voraussetzungen darstellte, die die ständige Rechtsprechung gemäß § 17 Abs. 3 StVG an den „optimalen und idealen“ Fahrer stellt, bestimmt sich die Haftung gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 StVG danach, inwieweit der Unfall vorwiegend von der Klägerin oder von den Beklagten verursacht wurde.

Anscheinsbeweis spricht gegen denjenigen, der auffährt

In einer solchen Fallkonstellation spreche zulasten der nachfolgenden Verkehrsteilnehmer der Anschein, dass sie gegen die in § 4 Abs. 1 StVO niedergelegte Sorgfaltspflicht verstoßen haben und deshalb aufgefahren sind, weil sie Abstand oder die Geschwindigkeit nicht angemessen gewählt oder nicht die nötige Aufmerksamkeit an den Tag gelegt hätten.

Dieser Anscheinsbeweis wird auch nicht entkräftet,

  • wenn ein Vorausfahrender grundlos bremse.
  • Denn nachfolgende Verkehrsteilnehmer müssen sich auch auf jederzeitiges, auch unerwartetes Bremsen und Anhalten der Vorausfahrenden einstellen.

Der Anscheinsbeweis greife auch bei Kettenauffahrunfällen im Hinblick auf einen – wie im vorliegenden Fall – Heckschaden am ersten Pkw zulasten der jeweils nachfolgenden Verkehrsteilnehmer.

Den Beklagten sei es nicht gelungen, den Anscheinsbeweis zu entkräften, auch wenn sich aus den Ausführungen des zugezogenen Gutachters einige Ungereimtheiten ergeben haben, die nicht endgültig geklärt werden konnten.

(Amtsgericht Erfurt, Urteil v. 19.07.2023, 5 C 1742/19)


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