[4] “I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts verstieß die Beklagte zu 1) gegen § 8 Abs. 1 S. 1 StVO, da sie die Vorfahrt des Klägers nicht beachtete. Die in Rspr. und Literatur umstrittene Frage, wann der nach dem Ausfahren aus einer durch Verkehrszeichen 326 (verkehrsberuhigte Zone) geregelte Bereich ende, sei dahin zu beantworten, dass ab dem konkreten Standpunkt des Verkehrsschildes Zeichen 326 die allgemeinen Verkehrsregeln gälten.
[5] Bei der Abwägung seien demnach auf Seiten der Beklagten zu 1) der Verstoß gegen § 8 StVO sowie die Betriebsgefahr des Pkw zu berücksichtigen. Der Unfall sei indes für den Kläger nicht unabwendbar gewesen. Vielmehr habe sich dieser nicht hinreichend aufmerksam nach links orientiert und infolgedessen das von dort herannahende, gut sichtbare Fahrzeug der Beklagten zu 1) übersehen. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger eine verkehrsberuhigte Zone verlassen habe und der Regelungsbereich des § 10 StVO für ihn unklar gewesen sei, hätte der Kläger sich seines Vorfahrtsrechts vergewissern müssen. Das Fehlverhalten der Beklagten zu 1) wiege jedoch unter Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge und unter Berücksichtigung der gleich hohen Betriebsgefahr der unfallbeteiligten Fahrzeuge schwerer, sodass ein Haftungsanteil in Höhe von 75 % zu Lasten der Beklagten und in Höhe von 25 % zu Lasten des Klägers angemessen sei.
[6] II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
[7] 1. § 42 Abs. 4a StVO normiert für verkehrsberuhigte Bereiche, die durch Zeichen 325 (Beginn) und 326 (Ende) gekennzeichnet werden, bestimmte Rechte und Pflichten der Fußgänger und der Kraftfahrer. Darüber hinaus hat nach § 10 S. 1 StVO derjenige, der aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325/326) auf die Straße einfahren will, sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Problematisch ist, dass für Kraftfahrer in Einmündungs- oder Kreuzungsbereichen je nach den Umständen nicht ausreichend klar erkennbar sein kann, ob die Verhaltensanforderung des § 10 S. 1 StVO gilt oder die des § 8 Abs. 1 S. 1 StVO, wonach an Kreuzungen und Einmündungen die Vorfahrt hat, wer von rechts kommt. Die Verwaltungsvorschrift zu § 42 Abs. 4a StVO bestimmt, das Zeichen 326 sei höchstens 30 m vor der nächsten Einmündung oder Kreuzung aufzustellen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass ein Kraftfahrer, der einen verkehrsberuhigten Bereich verlässt, dessen Verlassen im Einzelfall auf Grund der spezifischen Gestaltung des konkreten Straßenbereichs nicht mehr als Ausfahrt aus einem verkehrsberuhigten Bereich erkennt.
[8] 2. a) Deshalb könnte für die Ansicht des Berufungsgerichts, ab dem konkreten Standpunkt des Verkehrsschildes gälten die allgemeinen Verkehrsregeln, der Gesichtspunkt einer klaren Regelung sprechen. Unter diesem Aspekt wird die Auffassung des Berufungsgerichts auch von Teilen der Rspr. und Literatur vertreten (vgl. OLG Hamm StVE Nr. 22 zu § 10 StVO – Zeichen 326 ca. 30 m vor der Einmündung; LG Koblenz NJWE-VHR 1998, 260; AG Sömmerda DAR 1999, 78 f. – Zeichen 326 ca. 24 m vor der Einmündung; Janiszewski, NStZ 1997, 267, 270; vgl. auch OLG Celle OLGR 2004, 607). Andere – wie auch das AG im vorliegenden Rechtsstreit – teilen diese Betrachtungsweise indes nicht (vgl. LG Gießen NZV 1996, 456 – Abstand des Schildes 17,1 m; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 10 StVO Rn 6a).
[9] b) Auch der erkennende Senat hält die erstgenannte Ansicht nicht für richtig. Bezogen auf die Verhaltensanforderungen des § 10 StVO hat das Zeichen 326 eine die Vorfahrt regelnde Bedeutung. Die sich aus dieser Regelung ergebenden Verpflichtungen enden nicht generell auf der Höhe des Verkehrsschildes. Sie enden vielmehr in der Regel erst dann, wenn sich das Gebot aktualisiert, beim Einfahren aus einem verkehrsberuhigten Bereich in eine andere Straße eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Dies ist regelmäßig an der nächsten Einmündung oder Kreuzung nach Ende des verkehrsberuhigten Bereichs der Fall.
[10] Die abweichende Ansicht berücksichtigt nicht ausreichend, dass im vorliegenden Zusammenhang nicht der Begrenzung des verkehrsberuhigten Bereichs, sondern der vorfahrtregelnden Wirkung des Zeichens 326 entscheidende Bedeutung zukommt. Diese Wirkung kann nicht davon abhängen, ob das Zeichen unmittelbar im Einmündungs- bzw. Kreuzungsbereich steht oder einige Meter davor. Dass es unmittelbar im Einmündungs- oder Kreuzungsbereich aufgestellt ist, wird eher selten sein. Häufig wird es sich einige Meter vor der Kreuzung oder Einmündung befinden. Es erschiene aber verfehlt, in diesen Fällen von der Geltung des § 8 Abs. 1 S. 1 StVO auszugehen, insbesondere wenn der Querverkehr auf Grund der für ihn sichtbaren Beschilderung oder der Gestaltung des Straßenverlaufs oder der Straßenflächen annehmen darf, der Fahrer des einfahrenden Fahrzeugs habe die Verhaltensanforderungen des § 10 StVO zu beachten.
[11] c) Freilich gelten die Verh...