§ 49b Abs. 4 BRAO n.F.; § 55 RVG
Leitsatz
Tritt der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse unter Beachtung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO n.F. an einen Dritten ab, so hat die Staatskasse diese Abtretung im Festsetzungsverfahren zu beachten und die Vergütung an diesen Dritten auszuzahlen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamm, Beschl. v. 29.2.2008 – II 6 WF 3/08
Sachverhalt
Der dem Antragsteller im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt hatte nach Erteilung der schriftlichen Zustimmungserklärung des Antragstellers vom 19.10.2007 hierzu seine ihm aus der Staatskasse zustehende Vergütungsforderung mit Abtretungserklärung vom 11./12.2.2008 an eine GmbH abgetreten. Diese beantragte nach Fälligkeit die Festsetzung der dem Rechtsanwalt angefallenen Vergütung gegen die Staatskasse. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) lehnte die Festsetzung ab. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der GmbH hat das AG zurückgewiesen, da der Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse höchstpersönlich und die Abtretung damit unzulässig sei.
Das OLG Hamm hat der Beschwerde der GmbH stattgegeben.
Aus den Gründen
“ … Der dem Rechtsanwalt … gegen die Landeskasse zustehende Vergütungsanspruch, der sich entsprechend seiner zutreffenden Berechnung vom 16.10.2007 auf … EUR beläuft, ist von ihm wirksam an die Beteiligte zu 1) [– die GmbH –] abgetreten worden. Das ergibt sich zum einen aus der mit Schreiben vom 14.2.2008 vorgelegten Abtretungserklärung vom 11.2/12.2.2008, die nach Inkrafttreten der Neufassung des § 49b Abs. 4 BRAO erfolgt ist, und zum anderen aus der den Anforderungen des neuen Rechts genügenden schriftlichen Zustimmungserklärung des Antragstellers des Ausgangsverfahrens vom 19.10.2007.
Die von der Beteiligten zu 2) [– der Bezirksrevisorin –] vertretene Auffassung, dass gegen die Landeskasse gerichtete Prozesskostenhilfevergütungsansprüche höchstpersönlich und deshalb nicht abtretbar seien, findet in den nunmehr geltenden gesetzlichen Vorschriften keine Stütze. … “
3 Anmerkung
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Das OLG hat sich mit der Problematik nur mit wenigen Worten befasst und offensichtlich die erheblichen praktischen Auswirkungen der Neufassung des § 49b Abs. 4 BRAO auf die gerichtliche Praxis unterschätzt.
I. Voraussetzungen der Abtretung
Nach der am 18.12.2007 durch Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007, BGBl I, S. 2840 neu gefassten Bestimmung des § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO kann die Abtretung von Vergütungsforderungen oder ihre Übertragung zur Einziehung an Dritte, die nicht Rechtsanwälte oder rechtsanwaltliche Berufsausübungsgemeinschaften sind, erfolgen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Es liegt eine ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten für die Abtretung oder Übertragung vor oder die Vergütungsforderung ist rechtskräftig festgestellt.
- Der Mandant ist vor seiner Einwilligung über die Informationspflicht des RA gegenüber dem neuen Gläubiger oder Einziehungsermächtigten aufgeklärt worden (s. hierzu ausführlich Hansens, RVGreport 2008, 81, 82).
Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Der Antragsteller hatte seine schriftliche Einwilligung – hier als Zustimmungserklärung bezeichnet – bereits am 19.10.2007, also vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 49b Abs. 4 BRAO, erteilt. Der Zeitpunkt dieser Einwilligungserklärung hat für das OLG Hamm keine Probleme aufgeworfen. Auch das Gesetz bestimmt nicht, wann im Laufe des Mandats die Einwilligung erklärt werden muss.
Das OLG Hamm hat nach den Beschlussgründen auch nicht geprüft, ob der Antragsteller vor seiner Einwilligung vom 19.10.2007 darüber aufgeklärt wurde, dass sein Rechtsanwalt der GmbH als neuer Gläubigerin des Vergütungsanspruchs die Informationen mitzuteilen hat, die für deren Geltendmachung erforderlich sind. Formvorschriften für diese Aufklärung stellt das Gesetz in § 49b Abs. 4 S. 3 BRAO nicht auf. Es enthält auch keine Sanktionen für den Fall, dass der Auftraggeber nicht – wie dort geregelt – aufgeklärt worden ist. Folglich ist diese Aufklärung auch kein Zulässigkeitserfordernis für die Abtretung der Vergütungsforderung oder deren Übertragung (siehe Hansens, RVGreport 2008, 81, 83).
II. Praktische Auswirkungen
Die Abtretung von Vergütungsforderungen gegen die Staatskasse oder die Übertragung ihrer Einziehung an Dritte kann für den im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt wirtschaftlich sinnvoll sein, um sich kurzfristig Liquidität zu verschaffen oder zu erhalten. Dies betrifft übrigens nicht nur Ansprüche des im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalts, sondern auch die des Pflichtverteidigers oder des Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts. Wegen der meist geringen Höhe der letztgenannten Vergütungsforderungen wird dies wohl in der Praxis kaum vorkommen.
Ob die Unternehmen mit den sich aus der Neufassung des § 49b Abs. 4 BRAO ergebenden Möglichkeiten froh werden, bleibt abzuwarten. Ihnen...