Aus den Gründen: Aus dem Urteil des EuGH: „… Zur ersten Frage
[39] Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der Inhaber eines von diesem Mitgliedstaat ausgestellten EG–Führerscheins ist, darüber hinaus im Besitz eines weiteren, zuvor von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist, wenn beide vor dem Beitritt des zuletzt genannten Staates zur Union erworben wurden. …
Antwort des Gerichtshofs
– Vorbemerkungen
[46] Die Frage nach der Auslegung von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 geht so, wie sie vom vorlegenden Gericht gestellt wird, davon aus, dass beide Fahrerlaubnisse gleichzeitig gültig sind.
[47] Die deutsche Regierung macht geltend, nach deutschem Recht hätte Herr S zwölf Monate nach Begründung seines Hauptwohnsitzes in Deutschland sein Recht verlieren müssen, von seiner 1964 erteilten und 1968 umgeschriebenen österreichischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen.
[48] Hierauf ist zu antworten, dass sich die Zuständigkeit des Gerichtshofs auf die Prüfung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts beschränkt und er nicht berufen ist, über nationales Recht zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 1.6.2006, innoventif, C-453/04, Slg. 2006, I-4929, Rn 29).
[49] Jedenfalls ist der Gerichtshof in einem Verfahren nach Art. 234 EG nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom vorlegenden Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift zu äußern (vgl. Urteile vom 16.3.1978, Oehlschläger, 104/77, Slg. 1978, 791, Rn 4, und vom 11.9.2008, Eckelkamp u.a., C-11/07, Slg. 2008, I-0000, Rn 52).
[50] Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass Herrn S bei der Umschreibung seiner österreichischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis im Jahr 1968 wie auch bei der Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis im Jahr 1994 der österreichische Führerschein belassen wurde und die österreichische Fahrerlaubnis gültig blieb.
[51] In Bezug auf die Gültigkeit der 1994 erteilten deutschen Fahrerlaubnis stellt sich zum einen die Frage nach der Anwendung der Richtlinie 80/1263 und insbesondere ihres Art. 8 Abs. 3, soweit darin vorgesehen ist, dass ein Mitgliedstaat einen von einem Drittland ausgestellten Führerschein nur dann in einen Führerschein nach EG-Modell umtauschen darf, wenn der von einem Drittland ausgestellte Führerschein den zuständigen Stellen des Mitgliedstaats, der den Umtausch vornimmt, ausgehändigt worden ist.
[52] Sollte es sich bei der Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis im Jahr 1994 weder um eine Umschreibung noch um einen Umtausch des Führerscheins, sondern um die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach deutschem Recht gehandelt haben, wie die deutsche Regierung meint, wären in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Bestimmungen über den Umtausch des Führerscheins nicht anwendbar.
[53] Zum anderen war Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439, wonach jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein kann, bei Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis im Jahr 1994 nicht einschlägig, da diese Richtlinie erst mit Wirkung vom 1.7.1996, dem Zeitpunkt, zu dem die Richtlinie 80/1263 aufgehoben wurde, anzuwenden war (vgl. Urt. v. 29.10.1998, Awoyemi, C-230/97, Slg. 1998, I-6781, Rn 33).
[54] Selbst wenn die Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis im Mai 1994 entgegen der Auffassung der deutschen Regierung nicht als Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis, sondern in Wirklichkeit als Umtausch eines bestehenden Führerscheins anzusehen wäre, kann es einem Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht zum Nachteil gereichen, Inhaber zweier Führerscheine zu sein, auch wenn die Ausstellung des zweiten Führerscheins das Ergebnis eines Rechtsverstoßes sein sollte, indem der Ausstellungsmitgliedstaat dadurch, dass er es versäumt hat, den zuvor von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein dessen Stellen auszuhändigen, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen hat. Denn der Inhaber eines solchen Führerscheins darf von einem Mitgliedstaat nicht für eine Verletzung von Pflichten bestraft werden, die das Gemeinschaftsrecht diesem Staat auferlegt.
– Zur Anwendung von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439
[55] Nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 kann jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein. Demzufolge ist es den Mitgliedstaaten verboten, einen EG–Führerschein auszustellen, wenn derjenige, der einen solchen Führerschein beantragt, bereits im Besitz eines anderen Führerscheins ist, der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde.
[56] Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 schreibt zwar die Einmaligkeit der Fahrerlaubnis fest (vgl. Urteile vom 26.6.2008, Wiedemann und Funk, C-329/06 und C-343/06, [zfs 2008, 473 =] Slg. 2008, I-0000, Rn 70, sowie Zerche u.a., C-334/06 bis C-336/06, Slg. 2008, I-0000, Rn 67), doch bewirkt er nur ...