StVG § 24a Abs. 2; OWiG § 10
Leitsatz
1. An der Erkennbarkeit der fortdauernden Wirkung von Cannabis kann es bei einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG fehlen, wenn zwischen Rauschmittelkonsum und Fahrtantritt eine größere Zeitspanne liegt. Eine solche liegt bei einem Zeitraum von etwa 23 Stunden jedenfalls vor.
2. In einem solchen Fall bedarf es nach Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel näherer Ausführungen dazu, auf Grund welcher Umstände sich der Betroffene hätte bewusst machen können, dass der zurückliegende Cannabiskonsum noch Auswirkungen haben konnte. Neben Ausfallerscheinungen im engeren Sinn können insoweit u.a. die Menge und Qualität des konsumierten Cannabis, die Häufigkeit des Cannabiskonsums und die Einlassung des Betroffenen zu seinem Vorstellungsbild Rückschlüsse zulassen.
(Leitsätze des Gerichts)
OLG Celle, Beschl. v. 9.12.2008 – 322 SsBs 247/08
Sachverhalt
Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung eines berauschenden Mittels zu einer Geldbuße von 250 EUR verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.
Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 11. Mai 2007 um 17:50 Uhr mit einem Pkw die B.straße in N., obwohl die Untersuchung einer dem Betroffenen um 18:25 Uhr entnommenen Blutprobe einen Tetrahydrocannabinol-Gehalt von 2,7 ng/ml ergab. Der Betroffene hatte am Vorabend der Tat gegen 19:00 Uhr Cannabis konsumiert und musste deshalb nach Auffassung des AG zum Tatzeitpunkt damit rechnen, noch berauschende Mittel im Blut zu haben.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Mit der Verfahrensrüge beanstandet er, dass die Ergebnisse der Blutuntersuchung verwertet worden sind, obwohl die Blutprobe ohne vorherige richterliche Anordnung entnommen worden ist. Mit der Sachrüge wird insbesondere geltend gemacht, dass angesichts des geringen festgestellten THC-Gehalts und des zeitlichen Abstands zwischen Rauschmittelkonsum und Fahrt die Feststellungen des AG zum Fahrlässigkeitsvorwurf unzureichend seien.
Der Einzelrichter hat mit Beschl. v. 18. November 2008 die Sache im Hinblick auf den letztgenannten Gesichtspunkt zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. gem. § 80a Abs. 3 OWiG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Der Senat hebt das angefochtene Urteil unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde mit den Feststellungen, mit Ausnahme jener zum objektiven Tatgeschehen, auf und weist im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Entscheidung an dieselbe Abteilung des AG zurück.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „ … II. … . 1. Die Verfahrensrüge ist allerdings nicht in zulässiger, §§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO, 79 Abs. 3 OWiG genügender Weise erhoben, weil der diesbezügliche Vortrag in Teilen falsch bzw. widersprüchlich und auch unvollständig ist, sodass allein auf Grund der Rechtsbeschwerdebegründung eine Schlüssigkeitsprüfung, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt, wenn das Vorbringen der Rechtsbeschwerde zutrifft, nicht möglich ist. So behauptet die Rechtsbeschwerde, der Verteidigungsschriftsatz vom 9. Juni 2008, mit dem der Verwertung von Blutprobe und Befundbericht widersprochen worden sei, sei in der Hauptverhandlung verlesen worden. Das ist indes ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 10. Juni 2008, dem insoweit gem. §§ 274 StPO, 46 Abs. 1 OWiG negative Beweiskraft zukommt, weil es sich bei der Verlesung einer Urkunde um eine wesentliche Förmlichkeit handelt (BGHR § 274 StPO, "Beweiskraft 13"), nicht der Fall gewesen. Im Sitzungsprotokoll ist vielmehr lediglich vermerkt, dass der Verteidiger einen Schriftsatz vom 9.6.2008 überreicht hat.
Weiterhin fehlt es zur Frage der Zustimmung zur Blutprobenentnahme an jeglichem Vortrag dazu, wie der Betroffene am Tattag konkret auf den Vorschlag oder das Angebot einer Blutprobenentnahme reagiert hat. Das Vorbringen erschöpft sich insoweit in einer Bewertung der damaligen Situation mit dem Ergebnis, dass der Betroffene tatsächlich gar keine Wahlmöglichkeit gehabt habe. Auch fehlt es an einer Darstellung der Stellungnahme des Polizeibeamten H. vom 24. August 2007, in der es ausdrücklich heißt, der Betroffene "stimmte der Maßnahme zu."
2. Mit der Sachrüge hat der Betroffene demgegenüber im Wesentlichen Erfolg. Allerdings bleiben die Feststellungen des AG zum objektiven Tatgeschehen, also das Führen eines Pkw in der B.straße in N. am 11.5.2007 um 17:50 Uhr mit einem THC-Gehalt von 2,7 ng/ml, bestehen. Insoweit verwirft der Senat die Rechtsbeschwerde auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gem. §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO.
3. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite konnten indes keinen Bestand haben. Das AG hat insoweit ausgeführt, der Betroffene habe fahrlässig gehandelt. Ihm sei nach seiner eigenen Einlassung bewusst gewesen, am Vortag gegen 19:00 Uhr Cannabis konsumiert zu haben. Damit musste er damit rechnen, auch am Folgetag noch berauschende Mittel im ...