Rechtsanwaltskammern sehen sich häufig mit Beschwerden von Rechtsschutzversicherern gegen den Anwalt konfrontiert, in denen der Vorwurf erhoben wird, dieser informiere ihn nicht über den Mandatsverlauf und nehme ihm gegenüber auch keine Abrechnung vor. Berufsrechtliche Relevanz besteht für ein solches Verhalten natürlich nur dann, wenn der Rechtsschutzversicherer gegenüber dem Anwalt einen unmittelbaren Auskunfts- und Abrechnungsanspruch hat. Bestehen solche Ansprüche nicht, existiert auch keine diesbezügliche berufsrechtliche Verpflichtung auf Seiten des Anwalts, die verletzt sein könnte. Sein Verhalten mag dann eine Unhöflichkeit oder auch ein schlechter Stil sein, berufsrechtliche Konsequenzen ergeben sich daraus jedoch nicht, da dem Berufsrecht keine moralisierende Funktion zukommen darf, auch nicht etwa über die Generalklausel des § 43 BRAO.
Besteht hingegen nach einer der oben aufgeführten Fallgestaltungen ein Auskunfts- und Abrechnungsanspruch des Rechtsschutzversicherers und erfüllt der Anwalt diesen nicht, so hat dies nicht nur zivilrechtliche, sondern auch berufsrechtliche Folgen, wie etwa eine Rüge gem. § 74 BRAO, oder gar die Einleitung eines Anwaltsgerichtsverfahrens.
Unklar ist in der Praxis aber, welches die berufsrechtliche Norm ist, gegen die der Anwalt verstoßen hat. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass § 43 BRAO, nach dem der Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen hat, als Rechtsgrundlage nicht ausreicht. Aus § 43 BRAO als Generalklausel alleine können Berufspflichten nicht hergeleitet werden, da sie als Grundlage anwaltsgerichtlicher Maßnahmen zu unbestimmt wäre, und auch im anwaltlichen Disziplinarrecht das Bestimmtheitsgebot nach Art. 20 III GG Geltung hat.
Überwiegend wird ein Verstoß gegen die §§ 11, 23 BORA angenommen. Dies ist dogmatisch, aber nicht überzeugend. Gem. § 11 I 2 BORA ist der Mandant über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten und ihm von allen wesentlichen Schriftstücken Kenntnis zu geben. Gem. § 11 II BORA sind Anfragen des Mandanten unverzüglich zu beantworten. Schon aus dem Wortlaut der Norm ist eindeutig zu folgern, dass diese nur gegenüber dem Mandanten gilt. Sie hat ausschließlich die Funktion, die Rechtsposition des Mandanten gegenüber dem Anwalt zu stärken und stellt eine reine Mandantenschutzvorschrift dar, die mangels vertraglicher Beziehung zwischen Rechtsschutzversicherer und Anwalt keine Anwendung findet. Der Rechtsschutzversicherer wird auch nicht dadurch Mandant i.S.d. § 11 BORA, dass er nach den unter den in IV. und VI. genannten Konstellationen unmittelbare Ansprüche gegen den Anwalt erwirbt, da diese Ansprüche nur ein Recht auf Auskunft und Abrechnung, nicht aber die Stellung als Mandanten begründen. Aus den gleichen Erwägungen ist auch § 23 BORA, nach dem spätestens mit Beendigung des Mandates Honorare gegenüber dem Mandanten unverzüglich abzurechnen sind, nicht anwendbar. Schuldner des Anwaltshonorars bleibt auch bei Einschaltung eines Rechtsschutzversicherers immer nur der Mandant, so dass berufsrechtlich nur gegenüber diesem eine Abrechnungsverpflichtung besteht.
Dogmatisch überzeugender ist deshalb die Auffassung, die § 44 BRAO als die berufsrechtlich verletzte Norm ansieht. Gem. § 44 BRAO muss der Anwalt, der in seinem Beruf in Anspruch genommen wird und den Auftrag nicht annehmen will, die Ablehnung unverzüglich erklären. In den obigen Fallkonstellationen IV. und VI. übernimmt der Anwalt auf Antrag die rechtliche Verpflichtung zur Auskunfts- und Abrechnungserteilung direkt gegenüber dem Rechtsschutzversicherer. Er erklärt rechtsverbindlich, die Auskunftspflicht gem. § 666 BGB und die Herausgabepflicht der §§ 675, 677 BGB des Mandanten gegenüber dem Rechtsschutzversicherer selbst zu erfüllen. Dies stellt eine Annahme eines Auftrags i.S.d. § 44 BRAO dar. Wird dieser Auftrag nicht erfüllt, liegt eine berufsrechtlich zu ahnende Pflichtverletzung wegen Verstoßes gegen § 44 BRAO vor.