VHB 62 § 18 Nr. 2
Die Übersendung eines vom Versicherungsnehmer nach einem Brandschaden in Auftrag gegebenen Schadengutachtens, das auch Kosten für die Renovierung nicht brandgeschädigter Räume enthält, stellt den Versuch einer arglistigen Täuschung dar.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Köln, Urt. v. 17.11.2009 – 9 U 53/09
Aus den Gründen:
“… II. 1. Den Klägerinnen steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Entschädigung nach den §§ 1 a), 3 Nr. 1, 7, 19 VGB 62 zu.
a) Dass der Versicherungsfall Brand vorgelegen hat, ist nicht im Streit. Es besteht jedoch Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung.
b) Nach § 18 Nr. 2 VGB 62 ist der Versicherer leistungsfrei, wenn sich der Versicherungsnehmer bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig gemacht hat. Der Begriff der arglistigen Täuschung i.S.d. Bedingungswerkes umfasst auch den Versuch der arglistigen Täuschung (RGZ 124, 343; Martin, SVR, 3. Aufl., X III 1; P/M/Kollhosser, § 18 VGB 62 Rn 2; § 16 AFB 30 Rn 10).
Eine arglistige Täuschung durch Vorlage irreführender Belege und Unterlagen ist dann anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer bei dem Versicherer anlässlich der Regulierungsverhandlungen einen unrichtigen Eindruck hervorrufen will (vgl. Senat, r+s 2006, 421; VersR 2003, 101; VersR 2001, 893).
Wenn ein Sachverständiger eingeschaltet ist, können sowohl falsche Angaben gegenüber dem Gutachter Täuschung sein, um den Versicherer zu beeinflussen, als auch das bewusste Herbeiführen einer Täuschung durch den Sachverständigen (vgl. Martin, a.a.O., X III 9).
Gibt der Versicherungsnehmer insoweit objektiv falsche Erklärungen ‘ins Blaue hinein’ ab, so ist von arglistiger Täuschung auszugehen (vgl. OLG Oldenburg r+s 1993, 428; Kollhosser, a.a.O., § 18 VGB 62 Rn 2). Maßgebend ist, ob Beweisschwierigkeiten vermieden werden sollen, um die Regulierung zu beschleunigen oder ob allgemein auf die Regulierungsentscheidung des Versicherers Einfluss genommen werden soll, wobei es auf Bereicherungsabsicht nicht ankommt (vgl. Senat VersR 2004, 907; Knappmann, a.a.O., § 22 VHB 84 Rn 1; HK-VVG/Halbach, § 16 VHB 2008 Rn 8, 9). So liegt es hier.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall auf die Person des T abzustellen, der von den Erben mit der Schadensabwicklung und zur Abgabe von Erklärungen für den Versicherungsnehmer betraut war. Er ist sog. Wissenserklärungsvertreter (vgl. BGH VersR 1993, 960). In diesem Fall wird eine Täuschung nach § 166 BGB dem Versicherungsnehmer zugerechnet. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen X H ergibt, ist T Auftraggeber des Gutachtens gewesen. Er hat auch die ‘Dokumentation und Kostenzusammenstellung des Brandschadens’, die mit einer Summe von 46.400 EUR endet, an die Beklagte übersandt und gleichzeitig ‘um entsprechende Regulierung’ gebeten.
Dass diese Dokumentation, die Brandschäden in Ober- und Erdgeschoss beschreibt und bewertet, z.T. inhaltlich falsch ist, hat die Vernehmung der Zeugen vor dem LG ergeben. Im Erdgeschoss war nämlich erkennbar kein Brandschaden in Form von Ruß oder Löschwasser vorhanden. Vielmehr zeigten sich deutlich im ganzen Haus Spuren von Verwahrlosung, weil der frühere Versicherungsnehmer und Erblasser infolge einer psychischen Erkrankung die Räume hatte verkommen lassen. Die Kostenzusammenstellung über brutto 46.400 EUR betrifft dementsprechend in unzutreffender Weise auch Schäden im Erdgeschoss, obwohl dort keine brandbedingten Schäden festzustellen waren (wird ausgeführt).
Der Zeuge I, der Architekt und Bausachverständiger ist, hat in Einklang damit bekundet, dass bei seiner Besichtigung im November 2005 in Anwesenheit der Herren Dr. C und T im Erdgeschoss keinerlei Rußspuren festgestellt worden seien. Das Haus sei von Unrat betroffen und nicht bewohnbar gewesen. Er habe versucht, mit Herrn H Rücksprache zu nehmen, nachdem das Gutachten vorgelegt worden sei. Er habe mit ihm die Problematik des Erdgeschosses besprechen wollen, wo keine Brandschäden festgestellt worden seien. Von Mitarbeitern des Büros H sei auf seine Frage, warum auch das ganze Erdgeschoss aufgenommen worden sei, erklärt worden, das sei so beauftragt worden. Drei oder vier Wochen später sei ein Rückruf von Herrn H erfolgt; er sei jedoch nicht bereit gewesen, die Angelegenheit zu besprechen.
Damit ist in der Übersendung des Gutachtens H an die Beklagte in Kenntnis der wahren Situation im Haus mit der Bitte um entsprechende Regulierung eine arglistige Täuschung i.S.d. Bedingungswerkes zu sehen. Wenn die Klägerinnen geltend machen, Herr T habe Herrn H beauftragt, diejenigen Kosten gutachterlich zu schätzen, die ‘insgesamt anfallen würden, um das Gebäude wieder bewohnbar zu machen’, steht dieser Umstand der Täuschung nicht entgegen. Vielmehr ergibt sich daraus gerade, dass Herrn T bewusst war, dass sich nicht nur brandbedingte Kosten in der Zusammenstellung des Gutachtens befinden, ohne dies kenntlich zu machen. Kosten der Wiederbewohnbarmachung eines heruntergekommenen Hauses und Kosten der Brandschadensbeseitig...