MBKT 94 § 15a
Wird in einer Krankentagegeldversicherung die Versicherungsfähigkeit von einer selbständigen Berufsausübung und der Erzielung regelmäßiger Einkünfte abhängig gemacht, fallen diese Voraussetzungen nicht schon dann weg, wenn der Versicherte sein berufliches Tätigkeitsfeld wechselt und dafür eine Übergangszeit benötigt und noch keine regelmäßigen Einkünfte erzielt.
Insoweit reicht es aus, dass seine weitere Tätigkeit ernsthaft auf die Erzielung nachhaltiger und in diesem Sinne regelmäßiger Einkünfte gerichtet und nicht ohne nachvollziehbare Aussicht auf Erfolg ist.
BGH, Urt. v. 17.2.2010 – IV ZR 259/08
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass zwei Krankentagegeldversicherungen bei der Beklagten fortbestehen, ferner die Zahlung von Krankentagegeld. Dem Versicherungsverhältnis liegt ein Gruppenversicherungsvertrag mit einem Anwaltsverein am Sitz des LG zu Grunde, in dessen Bezirk der Kläger wohnt. Nach § 1 (1) dieses Gruppenversicherungsvertrages sind die Mitglieder des Anwaltsvereins versicherbar, sofern sie ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Gem. § 2 (1) Buchst. a des Gruppenversicherungsvertrages sind Vertragsgrundlage u.a. die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Krankentagegeldversicherung (im Folgenden: AVB-G) sowie der Tarif GT2 (Rechtsanwälte).
Über das Ende der Versicherung trifft § 14 AVGG u.a. folgende Bestimmung:
(1) Die Krankentagegeldversicherung endet bzw. wird aufgelöst
a) bei Wegfall einer im Tarif oder im Gruppenversicherungsvertrag bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist.
…
3
In Nr. 4 des Tarifs GT2 ist vorgesehen:
Versicherungsfähigkeit
Nach diesem Tarif ist versicherungsfähig, wer seinen Beruf selbstständig ausübt und aus dieser Tätigkeit regelmäßige Einkünfte hat.
Der Kläger hat am 20.8.2002 die Zulassung als Rechtsanwalt verloren, blieb aber Mitglied des Anwaltsvereins. Bis 31.3.2003 arbeitete er mit dem Abwickler seiner Kanzlei zusammen und erzielte weiterhin Einnahmen. Ab 1.4.2003 wurde ein anderer Abwickler eingesetzt. Der Kläger wurde ab 4.9.2003 fortlaufend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Er ist seit 1.7.2006 wieder gesund und betreibt eine Praxis als selbständiger Mediator.
Aus den Gründen:
[10] “… 1. Nach Nr. 4 GT2 hängt die Versicherungsfähigkeit von zwei Voraussetzungen ab, nämlich einer selbständigen Berufsausübung und der Erzielung regelmäßiger Einkünfte. Hinzukommen müssen gem. § 1 (1) des Gruppenversicherungsvertrages die Mitgliedschaft im Anwaltsverein sowie ein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Diese zusätzlichen, im Gruppenversicherungsvertrag geforderten Voraussetzungen sind hier nicht streitig. Allein daraus ergibt sich die Versicherungsfähigkeit indessen entgegen der Auffassung der Revision noch nicht. Vielmehr geht aus § 2 (1) Buchst. a des Gruppenversicherungsvertrages klar hervor, dass es weitere Vertragsgrundlagen gibt, nämlich u.a. den Tarif GT2 und damit auch die dort in Nr. 4 beschriebenen Voraussetzungen der Versicherungsfähigkeit.
[11] a) Diese stellen indessen – wie die Auslegung aus der Sicht des verständigen Versicherungsnehmers (st. Rspr., vgl. BGHZ 123, 83, 85) ergibt – nicht darauf ab, in welcher Weise der Versicherungsnehmer seinen Beruf als Selbständiger ausübt. Der Versicherungsschutz besteht vielmehr auch dann, wenn der Versicherungsnehmer nicht als Rechtsanwalt tätig ist, solange er Mitglied des Anwaltsvereins bleibt. Die selbständige Berufstätigkeit kann mithin sowohl in einer Zusammenarbeit mit dem Praxisabwickler als auch in einer anderen Tätigkeit etwa als Mediator bestehen. Dem Versicherungsnehmer steht es danach frei, im Rahmen seiner Mitgliedschaft im Anwaltsverein die konkrete Art seiner selbständigen Berufsausübung zu ändern, ohne dass die Versicherungsfähigkeit deshalb infrage stünde. Der BGH hat bereits für Klauseln in anderen Krankentagegeldversicherungen, nach denen eine selbständige Berufs- bzw. Erwerbstätigkeit Voraussetzung der Versicherungsfähigkeit war, entschieden, dass die Aufgabe einer bestimmten Tätigkeit, etwa aus wirtschaftlichen Gründen, noch nicht das Ende einer selbständigen Erwerbstätigkeit i.S.d. Versicherungsbedingungen bedeuten muss (Senat VersR 2002, 881 unter II 1).
[12] b) Im Hinblick auf derartige Änderungen des beruflichen Tätigkeitsfeldes eines Selbständigen kann die Klausel nicht dahin verstanden werden, dass ein Wegfall der Versicherungsfähigkeit bereits dann eintreten soll, wenn der Wechsel in ein anderes berufliches Tätigkeitsfeld nicht ohne eine Unterbrechung der Berufstätigkeit vorgenommen werden kann.
[13] Der Senat hat in anderem Zusammenhang mit Blick auf eine Klausel, die die Versicherungsfähigkeit vom Bestehen eines ständigen festen Arbeitsverhältnisses gegen Entgelt abhängig machte, ausgesprochen, dass dem Versicherten auch in Zeiten der Arbeitssuche nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Schutz gegen Verdienstausfall infolge Krankheit durch das Tagegeld verbleiben muss. Die Interess...