BGB § 836; VVG (a.F.) § 67
Leitsatz
1. Grundsätzlich spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein zu einem Schaden Dritter führendes Ablösen von Gebäudeteilen die Folge einer fehlerhaften Errichtung und/oder mangelhafter Unterhaltung eines Gebäudes ist.
2. Zur Erschütterung dieses Anscheinsbeweises reichen Böen mit einer Stärke bis zu 13 Beaufort nicht aus, weil heute in unseren Breiten mit Orkanen in dieser Stärke zu rechnen ist, sodass dies bei der Errichtung und Unterhaltung des Gebäudes zu berücksichtigen ist.
3. An den Entlastungsbeweis sind hohe Anforderungen zu stellen, die auch nicht dadurch vermindert sind, wenn damit ein hoher Kostenaufwand verbunden ist.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Hamm, Urt. v. 14.7.2010 – 13 U 145/09
Sachverhalt
Die klagende Kaskoversicherung hat nach Leistung an ihren Kfz-Versicherungsnehmer wegen der Beschädigung deren versicherter Fahrzeuge die Bekl. im Rückgriff in Anspruch genommen. Die Beschädigung an den versicherten Kraftfahrzeugen trat bei einem Sturm vom 18.1.2007 auf, bei dem das Wellblechdach der zur Immobilie der Bekl. gehörenden Garagenanlage sich teilweise gelöst hatte, sodass Teile hiervon auf die Fahrzeuge der Versicherungsnehmer der Kl. stürzten. Die Kl. hat die Bekl. für haftbar gehalten und dazu behauptet, die Garagen hätten sich nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden, was für das Herunterfallen der Dachteile ursächlich gewesen sei. Einem von der Kl. vorgelegten Wetterkurzgutachten lasse sich entnehmen, dass zum Schadenszeitpunkt in dem Postleitzahlenbereich, in dem sich die Garagen befanden, Winde mit einer Stärke bis zu 11 Beaufort aufgetreten seien. Bei einem ordnungsgemäß erstellten und unterhaltenen Gebäude hätten sich bei dieser Stärke keine ursprünglich zur Herstellung eingefügten Teile ablösen können. Dass Dachteile heruntergefallen seien, begründe einen Anscheinsbeweis dafür, dass die Garagen sich nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden hätten, da der herrschende Sturm noch nicht als außergewöhnliches Naturereignis einzustufen gewesen sei.
Die Bekl. haben ihre Haftung in Abrede gestellt und behauptet, dass die beschädigten Garagendächer einer höheren Windgeschwindigkeit als 12 Beaufort ausgesetzt gewesen seien. Das den Sturm hervorrufende Orkantief Kyrill habe Spitzengeschwindigkeiten bis zu 225 km/h hervorgerufen. Im Übrigen habe die Möglichkeit lokaler Windhosen bestanden, wofür es spreche, dass nicht alle 19 Garagen abgedeckt, sondern lediglich 4 Garagen beschädigt worden seien. Ihnen könne auch nicht eine fehlerhafte Errichtung oder Unterhaltung der Garagengebäude vorgeworfen werden. Im Übrigen hätten sie das Objekt erst im Oktober 2006 übernommen, sodass ihnen schon deshalb eine fehlerhafte Unterhaltung nicht vorgeworfen werden könne. Gegen eine mangelhafte Errichtung und Unterhaltung spreche es auch, dass von dem gesamten Garagenkomplex von 19 Garagen, die gleicher Bauart, gleichen Alters und gleichen Zustands gewesen seien, nur die ersten vier Garagen durch den Sturm beschädigt worden seien. Dabei habe der Schaden zunächst nur in einem Lösen der Eternitplatten bestanden, die durch die herbeigerufene Feuerwehr zur Vermeidung eines vollständigen Ablösens in die darunter befindlichen Garagen hineingedrückt worden seien, um ein vollständiges Ablösen zu vermeiden. Hierdurch sei es zu der Beschädigung der Fahrzeuge gekommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. führte zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Verurteilung der Bekl.
2 Aus den Gründen:
„ … Die Kl. hat als Kaskoversicherer unstreitig die hier in Rede stehenden Versicherungsleistungen i.H.v. insgesamt 5.393,72 EUR wegen der streitgegenständlichen Fahrzeugschäden an ihre Versicherungsnehmer erbracht. Dementsprechend liegen die Voraussetzungen für einen Übergang der entsprechenden Ersatzansprüche der unmittelbar geschädigten Fahrzeugeigentümer auf die Kl. nach § 67 VVG a.F. (jetzt § 86 VVG n.F.) vor.
b. Ebenfalls unstreitig sind die hier in Rede stehenden Fahrzeuge durch sturmbedingt gelöste Teile des Daches der Garagen der bekl. Eigentümer beschädigt worden. Ob dabei die Dachteile unmittelbar infolge des Sturms auf die Fahrzeuge herabgefallen sind (so die Kl.) oder sie sich zunächst nur gelöst haben und dann aus Sicherheitsgründen von der herbeigerufenen Feuerwehr in die Garagen hinuntergedrückt worden und dadurch auf die Fahrzeuge geraten sind (so die bekl. Eigentümer) kann dahinstehen. In jedem Falle beruhten die hier in Rede stehenden Fahrzeugschäden zurechenbar darauf, dass sich Dachteile gelöst haben, was für § 836 BGB ausreicht. Davon ist zu Recht auch das LG ausgegangen.
c. Unstreitig waren die bekl. Eigentümer Eigenbesitzer der hier in Rede stehenden Garagen. Insoweit genügt ein – hier vorliegender – mittelbarer Eigenbesitz (vgl. dazu nur Palandt/Sprau, a.a.O., § 836, Rn 12).
d. Es ist ferner davon auszugehen, dass das Ablösen der Dachteile Folge einer fehlerhaften Errichtung und/oder Unterhaltung des hier in Rede stehenden Garagendaches gewesen ist.
Das Vorliegen dieser weiteren...