BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
a) Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts i.d.R. nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und es zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-)reparieren lässt.
b) Vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist kann der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich repariert oder reparieren lässt, Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, regelmäßig nur ersetzt verlangen, wenn er den konkret angefallenen Reparaturaufwand geltend macht.
BGH, Urt. v. 23.11.2010 – VI ZR 35/10
Sachverhalt
Der Kl. macht gegen die Bekl. restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 25.5.2008 geltend, bei dem das Kraftfahrzeug des Kl. beschädigt wurde. Die volle Haftung der Bekl. ist dem Grunde nach unstreitig. Das Fahrzeug war seitens des Kl. zunächst über die V. Bank finanziert worden. Nach einem vom Kl. eingeholten Sachverständigengutachten belief sich der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 39.000 EUR brutto (32.733,10 EUR netto), der Restwert auf 18.000 EUR und die geschätzten Reparaturkosten auf 23.549,54 EUR brutto (19.789,35 EUR netto). Die Bekl. zu 2) erstattete dem Kl. insgesamt einen Betrag von 9.883,11 EUR, wobei sie den Wiederbeschaffungsaufwand aus dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs vor dem Unfall unter Abzug eines Restwerts von 22.890 EUR zugrunde legte. Den Restwert hatte sie aufgrund des Restwertangebots aus einer Internet-Restwertbörse ermittelt, an das der Bieter bis zum 31.7.2008 gebunden war. Der Kl. führte die Reparatur des Fahrzeugs – nachdem er es bei der V. Bank abgelöst hatte – in Eigenregie durch und veräußerte das Fahrzeug am 15.10.2008 zu einem Preis von 32.000 EUR.
Der Kl. begehrt Schadensersatz auf Reparaturkostenbasis, den er ursprünglich wie folgt berechnet hat: Reparaturkosten netto 19.789,35 EUR, Wertminderung 3.000 EUR, Kostenpauschale 25 EUR, Sachverständigenkosten 1.338,04 EUR und Nutzungsausfall 1.738 EUR, abzüglich des von der Bekl. zu 2) zunächst gezahlten Betrages von 6.941,93 EUR. Die auf den geltend gemachten Restanspruch von 18.948,36 EUR gerichtete Klage hat er im Laufe des erstinstanzlichen Rechtsstreits um die Kosten des Sachverständigengutachtens ermäßigt, nachdem die Bekl. zu 2) diese direkt an den Sachverständigen gezahlt hatte. Gleichzeitig hat er die Klage i.H.v. 1.288,58 EUR wegen auf seinem Girokonto angefallener Sollzinsen erhöht. Hinsichtlich der während des Rechtsstreits gezahlten weiteren 2.941,18 EUR haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Das LG hat dem Kl. in der Hauptsache weitere 4.976,88 EUR sowie restliche vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 61,88 EUR zuerkannt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Kl. hat das OLG das erstinstanzliche Urt. teilweise abgeändert und die Bekl. als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kl. über den vom LG zuerkannten Betrag hinaus weitere 9.692,26 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Mit der vom BG zugelassenen Revision verfolgen die Bekl. ihren Antrag, die Klage bis auf einen Betrag von 25 EUR abzuweisen, weiter.
2 Aus den Gründen:
[5] „I. Das BG ist der Auffassung, der Kl. könne die fiktiven Reparaturkosten laut Sachverständigengutachten abrechnen. Zwar entspreche es gefestigter Rspr. des BGH, dass ein Unfallgeschädigter die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts i.d.R. nur abrechnen könne, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter nutze. In seinem Urt. v. 5.12.2006 – VI ZR 77/06, VersR 2007, 372 habe der BGH aber einem Geschädigten, der das Fahrzeug zwar innerhalb der sechsmonatigen Frist veräußert, es jedoch tatsächlich habe reparieren lassen, einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten zuerkannt, die den Wiederbeschaffungswert nicht überstiegen hätten. Der vorliegende Fall unterscheide sich allerdings vom vorgenannten insoweit, als der dortige Geschädigte das Fahrzeug habe in Fremdreparatur in Stand setzen lassen und nicht die fiktiven, sondern die tatsächlich entstandenen Kosten abgerechnet habe. Demgegenüber habe der Kl. das Fahrzeug im Streitfall selbst repariert und mache die fiktiven Kosten entsprechend dem Sachverständigengutachten geltend. Nach Auffassung des BG folge jedoch aus der Rspr. des BGH, dass auch in diesem Falle eine Reparaturkostenabrechnung zulässig sei. Der BGH stelle für die Ersatzfähigkeit fiktiver Kosten darauf ab, ob der Restwert nur ein hypothetischer Rechnungsposten sei oder aber tatsächlich realisiert werde. Letzteres sei dann der Fall, wenn das Fahrzeug innerhalb kurzer Frist nach dem Unfall unrepariert veräußert werde. Im vorliegenden Fall der Eigenreparatur sei bei der Veräußerung indes nicht der Restwert realisiert worden, sodass der Geschädigte mit seiner Abrechnung der Reparaturkosten nicht gegen das Verbot verstoße, sich durch den Schadensersatz zu bereichern....