"… Vielmehr hat das LG die Klage zu Recht abgewiesen."

1. Die Bekl. hat in dem Schreiben vom 20.5.2015 den Anspruch des Kl. nicht anerkannt. Sie ist somit nicht mit dem Einwand ausgeschlossen, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kl. seien nicht auf das Unfallgeschehen zurückzuführen.

Weder dieses Schreiben noch das vorangehende vom 30.9.2014 stellten sich als Angebot der Bekl. zum Abschluss eines bestätigenden (deklaratorischen) Schuldanerkenntnisvertrags, gerichtet auf einen bestimmten Invaliditätsgrad, dar. Ein derartiger Vertrag hätte zur Voraussetzung, dass das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest unter bestimmten Gesichtspunkten dem Streit oder der Ungewissheit entzogen und es insoweit endgültig festgelegt werden soll mit der Folge, dass dem anerkennenden Schuldner dahingehende Einwendungen gegen die Schuld abgeschnitten sind. Die jeweilige Tragweite einer solchen bestätigenden Wirkung ist durch Auslegung des zum Ausdruck gebrachten Parteiwillens zu ermitteln, wobei vor allem auf den mit dem Anerkenntnis verfolgten Zweck, die beiderseitige Interessenlage der Parteien und die allgemeine Verkehrsanschauung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses abzustellen ist. Von entscheidender Bedeutung ist, ob ein besonderer Anlass zum Abschluss eines Schuldbestätigungsvertrages bestand. Mit Blick auf seine oben erwähnte Zielsetzung – das Schuldverhältnis (ganz oder teilweise) dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen – ist die Annahme eines Schuldbestätigungsvertrages nur berechtigt, wenn zwischen den Parteien zuvor tatsächlich Streit oder Ungewissheit über das Bestehen des Schuldverhältnisses oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte herrschte (…).

a. Hier fehlt bereits die Zustimmung des Kl. zu einem deklaratorischen Schuldanerkenntnisvertrag, denn er hat sich mit den Abrechnungsschreiben nicht einverstanden erklärt, sondern ist diesen in dem Schreiben vom 26. Januar 2015 und durch seine Klageerhebung ausdrücklich entgegengetreten.

b. Anlass der Schreiben vom 30.9.2014 und vom 15.5.2015 war die in § 11 AUB i.V.m. § 187 Abs. 1 S. 2 VVG (Erstbemessungs-)Pflicht der Bekl., innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Unterlagen zur Feststellung des Unfallhergangs, der Unfallfolgen sowie des Nachweises des Abschlusses des für die Feststellung der Invalidität notwendigen Heilverfahrens zu erklären, ob und in welcher Höhe sie einen Anspruch für berechtigt erachtet. Hierbei handelt es sich nicht um ein deklaratorisches Anerkenntnis, denn eine derartige Erklärung enthält regelmäßig nur eine (nachrichtliche) Mitteilung an den VN, in welchem Umfang Ansprüche als berechtigt angesehen und entsprechend reguliert werden sollen (…).

Anhaltspunkte dafür, dass zuvor Streit über die grundsätzliche Einstandspflicht der Bekl., insb. über die Unfallbedingtheit der körperlichen Beeinträchtigungen oder über den Grad der Invalidität bestanden hätte, sind nicht erkennbar und werden vom Kl. auch nicht vorgetragen. Deshalb konnte der Kl. die Abrechnungsschreiben lediglich als Mitteilung über die Erfüllungsbereitschaft der Bekl. verstehen. Dass sie damit endgültig und verbindlich anerkennen wollte, die unfallbedingten Verletzungen des Kl. hätten zu seiner Invalidität in dem von ihr zunächst geschätzten Umfang geführt geht daraus nicht hervor. Vielmehr hat die Bekl. in den Schreiben vom 30.9.2014 und vom 15.5.2015 sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Falle einer Neubemessung bereits gezahlte Invaliditätsleistungen als Vorschuss anzusehen wären, die der Rückforderung bzw. bei einer Rente der Minderung der Rentenhöhe unterliegen können.

c. Soweit der Kl. darauf verweist, aufgrund der am 15.6.2016 abgelaufenen Frist zur Neubemessung sei die Bekl. an ihre Erklärungen im Schreiben vom 15. 6. 2015 gebunden, beruht dies auf einem Rechtsirrtum. Das in § 13 (3) a) i.V.m. § 188 Abs. 1 S. 1 VVG geregelte Recht beider Vertragsparteien, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahre nach dem Unfall, erneut ärztlich bemessen zu lassen, muss der VR zusammen mit seiner (Erstbemessungs-) Erklärung über die Leistungspflicht ausüben, der VN spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist. Damit regelt diese Bestimmung die Voraussetzungen, unter denen – bis zur äußersten Grenze von drei Jahren – eine Anpassung der Invaliditätsleistung an seit der Erstbemessung eingetretene (günstige oder ungünstige) Veränderungen des Gesundheitszustands der versicherten Person möglich ist. Hiervon zu unterscheiden ist aber das Recht der Vertragsparteien, eine fehlerhafte (Erst-) Bemessung anzugreifen, welches ihnen unbeschadet der Möglichkeit einer Neubemessung zusteht (…).

2. Die Abrechnungsschreiben sind auch nicht geeignet, zu Gunsten des Kl. eine Beweislastumkehr zu rechtfertigen. Zwar kann anerkanntermaßen auch ein ohne besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen abgegebenes Anerkenntnis “als Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst' im Prozess eine Umkehr der Beweislast bewirken oder ein Indiz darstelle...

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