"… Das LG hat die Klage auf Leistung einer Entschädigung gemäß §§ 1 ff VVG i.V.m. den Regelungen der VHB 2016 zu Recht abgewiesen, weil der Kl. den Eintritt eines Versicherungsfalles im Sinne eines Raubes nach §§ 1 Nr. 1, 3 Nr. 4a VHV 2016 nicht hinreichend dargelegt hat. Auch das zweitinstanzliche Vorbringen des Kl. rechtfertigt keine andere Entscheidung."
Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor. Das LG hat nachvollziehbar und frei von Rechtsfehlern begründet, dass und warum es sich auch nach der persönlichen Anhörung des Kl. gem. § 141 ZPO nicht davon überzeugen konnte, dass ihm seine Armbanduhr ohne Überwindung eines bewussten Widerstands entwendet worden ist. (…)
Nach der Definition unter Abschnitt A § 3 Nr. 4a) aa) der vereinbarten VHB 2016 liegt Raub vor, “wenn gegen den VN Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Gewalt liegt nicht vor, wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl)'.
Eine solche Regelung ist für den VN nicht überraschend im Sinne des § 307 BGB, weil er nach dem normalen Sprachgebrauch typischerweise davon ausgehen wird, dass kein Raub vorliegt, wenn die Entwendung durch seine Überraschung erreicht wird, auch wenn dabei eine gewisse Körperkraft eingesetzt wird, um den Gegenstand wegzunehmen, nicht aber, um einen tatsächlichen oder erwarteten Widerstand zu brechen (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2015, 748; OLG Köln VersR 2007, 1270).
Unter Zugrundelegung dieser zwischen den Parteien vereinbarten Bedingung ist das LG nach Anhörung des Kl. gem. § 141 ZPO zutreffend davon ausgegangen, dass sein Vorbringen nicht ausreicht, um den versicherungsrechtlichen Tatbestand eines Raubes zu erfüllen. Denn auch nach der eigenen Schilderung des Kl. ist die Entwendung ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes des Kl. erfolgt. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen auf Seite 8–10 unter 1 b) des angefochtenen Urt. verwiesen werden, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden.
Soweit der Kl. auf Seite 2 der Berufungsbegründung unter (…) seine (…) Aussage wiederholt, lässt sich dieser gerade kein bewusster Widerstand gegen die Wegnahme der Armbanduhr entnehmen. Denn nach seiner eigenen Aussage merkte der Kl. nur “etwas' bzw. “einen Zug' an seinem Arm, er “spürte … , dass da jemand war … (und) zog dann dagegen'. Diese durchaus glaubhafte Schilderung des Vorgangs lässt nur den Schluss zu, dass dem Kl. in diesem Moment (noch) nicht bewusst war, dass seine Armbanduhr das Objekt des Zugriffs war, was noch dadurch veranschaulicht wird, dass er sich – so seine Aussage – etwas umdrehte, “um zu schauen, was los war'. Bis dahin wusste er also gerade nicht, “was los war' und hatte dementsprechend auch nicht realisiert, dass es darum ging, ihm seine Armbanduhr zu entwenden.
Seine (…) Aussage, er habe eine Abwehrbewegung gemacht, ihm sei gleich klar gewesen, dass es um seine Uhr ging, ist hingegen nicht etwa “sofort', sondern erst später “auf Nachfragen der Beklagtenvertreterin zum Entwendungsmoment' erfolgt. (…)
Somit kann bereits nach den eigenen Angaben des Kl. nicht davon ausgegangen werden, dass ihm während des nur wenige (“ein bis drei') Sekunden dauernden Entwendungsvorgangs überhaupt bewusst gewesen ist, dass gerade seine Armbanduhr gestohlen wird, so dass er auch keinen bewussten Widerstand gegen die Wegnahme leistete.
Nach alle dem scheitert eine Entschädigungspflicht der Bekl. nach § 1 VHB 2016 unabhängig von der in Rspr. und Literatur (vgl. Günther, “Der Versicherungsfall Raub', r+s 2007, 265 ff. sowie die dortige Zusammenstellung der bis dahin ergangenen Rechtsprechung; OLG Karlsruhe VersR 2016, 1494; OLG Düsseldorf VersR 2015, 748; OLG Köln VersR 2017, 1397; …) kontrovers diskutierten Frage, ob und unter welchen konkreten Umständen das Entreißen einer Armbanduhr vom Handgelenk einen Raub i.S.v. A § 3 Nr. 4a) aa) S. 1 VHB 2016 (oder gleichlautend) darstellt, vorliegend bereits daran, dass die in § 3 Nr. 4a) aa) S. 2 geforderte Voraussetzung der Überwindung eines bewussten Widerstandes nicht erfüllt ist. …“
zfs 5/2020, S. 279