Ähnlich wie in Frankreich ist jüngst die Verkehrsplanung der Kommunen in Deutschland dazu übergegangen, die bauliche Umgestaltung von Straßenkreuzungen zu Kreisverkehren vorzunehmen, um dadurch die Herabsetzung des Risikos von Zusammenstößen im Kreuzungsbereich zu erreichen sowie den Verkehrsfluss zu fördern. Verkehrsteilnehmer sollen durch die Straßenführung dazu gezwungen werden, ihre Geschwindigkeit zu reduzieren. Hierdurch und mit Hilfe der besonderen Vorfahrtsregelung im Kreisverkehr soll das gefahrlose Einreihen in den fließenden Verkehr erreicht werden.
Nichtsdestotrotz kommt es auch im Kreisverkehr vermehrt zu Verkehrsunfällen, zum einen, weil die Straßenverkehrsbehörde eine notwendige Beschilderung unterlässt (Achtung: die Vorfahrt am Kreisverkehr ist durch das Zeichen 205 mit Zusatzschild "Kreisverkehr" zu regeln). Zum anderen, weil das teilweise rücksichtlose Einfahren von Verkehrsteilnehmern mit überhöhter Geschwindigkeit in den Kreisverkehr dazu führt, dass der nachfolgend einfahrende Verkehr in der Einschätzung irritiert wird, ob hinreichend Zeit verbleibt, gefahrlos in den Kreisverkehr einfahren zu können.
Hierzu hat sich – leider etwas unübersichtlich – die Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass der Anscheinsbeweis für die schuldhafte Verursachung des Verkehrsunfalls dem Einfahrenden auferlegt wird, wenn sich der Unfall in dessen Einmündungsbereich ereignet hat.
Wie so oft liegt es im Ergebnis dann doch in der unfallanalytischen Überprüfung, ob die Verkehrsteilnehmer nicht ggf. zeitgleich in den Kreisverkehr eingefahren sind, allerdings mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Dann stellt sich die Frage, ob der Anscheinsbeweis ebenfalls zugunsten des bereits im Kreisverkehr befindlichen erstreckt werden kann, wenn zumindest auch tatrichterlich mit Hilfe eines Gutachters nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Einfahrende sich noch nicht im Kreisverkehr befunden hat. Hier divergiert die Rechtsprechung. Zum Teil wird vertreten, dass der Erfahrungssatz des Anscheinsbeweises zugunsten des Einfahrenden sich deshalb auch auf diese Unfallkonstellation erstrecken muss, weil sich der Unfall im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Einfahrt des einbiegenden Verkehrsteilnehmers ereignet hat (beispielhaft LG Saarbrücken, Urt. v. 28.3.2014 – 13 S 196/13).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Rechtsansicht des OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.9.2016 – I 1 U195/14, in dem es feststellt, dass "aus dem Umstand, dass die beiden Beteiligten (Verkehrsteilnehmer) gleichzeitig den Kreisverkehr erreichten, in der rechtlichen Konsequenz folgt, dass keiner von beiden vorfahrtsberechtigt war“, sich also grundsätzlich jeder Fahrzeugführer auf das Einbiegen des anderen einstellen muss. "Keiner von beiden ist verpflichtet, zunächst das andere Fahrzeug weiter zu beobachten und abzuwarten, bis es in den Kreisverkehr einfährt"."
Wenn sich jedoch einer der Unfallbeteiligten mit unzulässig hoher Annäherungsgeschwindigkeit in den Kreisel bewegt, ist dies nach Ansicht des OLG Düsseldorf eine grob fahrlässige Verhaltensweise, weil im grundsätzlich durch den angelegten Kreisel vorgegebenen, bogenförmigen Fahrweg sozusagen ein "Rechtsfahrgebot" vorliegt, gegen das der Einfahrende in den Kreisverkehr auch verstoßen kann. Dies ist oftmals streitentscheidend, nämlich ob die – ohnehin durch einen Sachverständigen nicht objektivierbare – vorkollisionäre Geschwindigkeit überhöht war und sich konkret in den Verkehrsunfall niedergeschlagen hat.