VVG § 100; AHB Nr. 1.1. Nr. 7.6; RBEPrivat Nr. I.II.1
Leitsatz
1. Ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber ein Kraftfahrzeug zur beruflichen und privaten Nutzung überlassen hat, verfügt darüber weder aufgrund eines Leih- noch aufgrund eines Verwahrungsvertrages.
2. Eine Beschädigung eines solchen Fahrzeugs bei der Montage eines Fahrradträgers durch den Arbeitnehmer ist nicht "durch den Gebrauch des Fahrzeugs" entstanden.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.7.2020 – 5 U 2/20
Sachverhalt
Der Kl. unterhielt bei der Bekl. einen Privat-Haftpflichtversicherungsvertrag. Nach A.I. RBEPrivat ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des VN aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes. Für Kraftfahrzeuge bestimmt die gem. A.VI. RBEPrivat anwendbare Klausel I.II.1. RBEPrivat folgendes:
"Nicht versichert ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs sowie eines versicherungspflichtigen Anhängers wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs/Anhängers verursacht werden."
Außerdem sind von der Versicherung gemäß Nr. 7.6 AHB ausgeschlossen
"Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn der VN diese Sachen gemietet, geleast, gepachtet, geliehen, durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder sie Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind."
Der frühere Arbeitgeber des Kl., die X, hatte dem Kl. aufgrund eines "Firmenwagen-Überlassungsvertrages" einen Pkw zur betrieblichen und privaten Nutzung überlassen. Nach § 2 Abs. 1 dieses Vertrages erfolgte die Nutzung des Fahrzeugs "hauptsächlich und vorrangig zu geschäftlichen Zwecken im Auftrag der Gesellschaft". Darüber hinaus durfte der Kl. das Firmenfahrzeug auch für private Fahrten (einschließlich Urlaubsfahrten) nutzen, wobei dies eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers sein sollte, die keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet.
Der frühere Arbeitgeber des Kl. nimmt diesen wegen der Beschädigung des überlassenen Fahrzeugs auf Schadenersatz in Anspruch.
Der Kl. hat behauptet, zu der Beschädigung des Fahrzeugs sei es gekommen, als er am 16.7.2016 vor der Rückfahrt aus einem Urlaub in Spanien einen Fahrradträger am Fahrzeugheck habe montieren wollen. Bei der Montage habe er die Heckklappe geöffnet, um eine Verkantung des Fahrradträgers zu lösen. Durch den Selbstöffnungsmechanismus der Heckklappe, an den er in diesem Moment nicht gedacht habe, habe sich die Heckklappe schneller geöffnet als erwartet, so dass der Fahrradträger zwischen Heckklappe und Dach eingeklemmt worden und es zu Kratzbeschädigungen und auch einer Delle am Heck des Fahrzeugs gekommen sei.
2 Aus den Gründen:
"… Die Bekl. ist verpflichtet, dem Kl. wegen der gegen ihn erhobenen Schadensersatzansprüche aus dem Haftpflicht-Versicherungsvertrag Versicherungsschutz zu gewähren."
1. Allerdings hätte der Klage mit dem ursprünglichen Klageantrag, der auf Freistellung des Kl. von einer Verbindlichkeit gegenüber der Rechtsnachfolgerin seines früheren Arbeitgebers gerichtet war, der Erfolg schon deshalb versagt werden müssen, weil die Voraussetzungen, unter denen der Anspruch des VN einer Haftpflichtversicherung gegen seinen VR ausnahmsweise auf Freistellung von den gegen ihn erhobenen Ansprüchen gerichtet ist, nicht vorliegen.
a. Gem. § 100 VVG ist der Haftpflichtversicherer aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag verpflichtet, den VN von Haftpflichtansprüchen Dritter freizustellen und unbegründete Ansprüche abzuwehren. Dementsprechend umfasst der Versicherungsschutz aus dem hier in Rede stehenden Vertrag gem. Ziff. 5.1 AHB die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche und die Freistellung des VN von berechtigten Schadenersatzverpflichtungen. Freistellungs- und der Abwehranspruch sind demnach lediglich Ausprägungen eines einheitlichen Deckungsanspruchs des VN (vgl. Koch in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 100 Rn 84; …). Dabei steht dem VR im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens grds. die Entscheidung frei, ob er Versicherungsschutz durch Wahrnehmung seiner Verpflichtung zur Anspruchsabwehr oder durch Freistellung des VN von den gegen ihn erhobenen Ansprüchen gewährt (vgl. BGH VersR 1981, 180 1981, 173). Nur wenn die Verpflichtung des VN zur Leistung von Schadenersatz mit einer für den VR bindenden Wirkung feststeht, hat der VN einen Anspruch auf Freistellung von dieser Verbindlichkeit (Nr. 5.1 Abs. 3 AHB; …). Eine solche bindende Wirkung entfaltet indes regelmäßig nur die rechtskräftige Feststellung des Haftpflichtanspruchs (vgl. BGH, VersR 1981, 173).
b. Da über den Haftpflichtanspruch gegen den Kl. hier bislang keine gerichtliche Entscheidung ergangen ist und der Kl. auch sonst keine Umstände vorträgt, aus denen sich seine die Bekl. bindende Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz wegen des in Rede stehenden Schadenereignisses ergeben könnte, kann er nur auf Feststellung klagen, dass die Bekl. wegen einer im...