VV RVG Nr. 1000 1003; ZPO § 103 § 104 Abs. 2 § 294
Leitsatz
1. Haben die Parteien zur Erledigung des Rechtsstreits eine Einigung über die Rücknahme der Klage und die dafür seitens der Beklagten zu erbringenden Gegenleistungen getroffen, fällt den hieran mitwirkenden Prozessbevollmächtigten eine Einigungsgebühr an.
2. Macht der erstattungspflichtige Kläger geltend, der Beklagte hätte sich in der Kostenregelung verpflichtet, ausschließlich eine Verfahrensgebühr zur Festsetzung anzumelden, wenn er die Klage zurücknimmt, so hat der Kläger diesen Vortrag im Streitfall glaubhaft zu machen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.2.2021 – 6 W 96/20
Sachverhalt
Der Kl. hatte gegen die Bekl. vor dem LG Neuruppin mehrere Forderungen geltend gemacht. In diesem Rechtsstreit war unter anderem die Passivlegitimation der Bekl. und eine mögliche Verjährung eines Teils der geltend gemachten Forderungen umstritten. Per E-Mail führten die Prozessbevollmächtigten der Beteiligten Vergleichsverhandlungen. Aus dem E-Mail-Verkehr ergab sich auch, dass die Bekl. die Frage nach einem Verzicht auf einen Kostenantrag nach Klagerücknahme abschlägig beschieden hat. Die Verhandlungen der Prozessbevollmächtigten führten schließlich zu einer Einigung über die Rücknahme der Klage und die dafür seitens der Bekl. zu erbringenden Gegenleistungen. In Vollziehung dieser Vereinbarung hat der Kl. die Klage zurückgenommen. Hieraufhin hat das LG Neuruppin durch Beschl. v. 1.4.2020 dem Kl. die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Bekl. neben einer Verfahrensgebühr und einer Terminsgebühr auch eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV RVG geltend gemacht. Der zu diesem Kostenfestsetzungsantrag gehörte Kl. hat eingewandt, die Bekl. hätte sich verpflichtet, ausschließlich eine Verfahrensgebühr zur Festsetzung anzumelden. Dem ist die Bekl. entgegengetreten. Der Rechtspfleger des LG Neuruppin hat in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss v. 12.5.2020 zugunsten der Bekl. die beantragte Verfahrensgebühr und Terminsgebühr nebst Auslagen festgesetzt, die Festsetzung der außerdem geltend gemachten Einigungsgebühr hingegen abgelehnt. Hiergegen haben sowohl die Bekl. als auch – nach Ablauf der Beschwerdefrist – der Kl. sofortige Beschwerde eingelegt.
Die gegen die Absetzung der Einigungsgebühr gerichtete sofortige Beschwerde der Bekl. hatte beim OLG Brandenburg Erfolg, wohingegen die gegen die Festsetzung der Terminsgebühr gerichtete Anschlussbeschwerde des Kl. unbegründet zurückgewiesen wurde.
2 Aus den Gründen:
"Sowohl die sofortige Beschwerde der Bekl. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Neuruppin v. 12.5.2020 wie auch die Anschlussbeschwerde des Kl. sind zulässig. Nur die sofortige Beschwerde der Bekl. hat allerdings in der Sache Erfolg, hingegen war die Anschlussbeschwerde des Kl. als unbegründet zurückzuweisen."
I. Die sofortige Beschwerde der Bekl. ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässig. Sie ist auch begründet. Zu Recht wendet sich die Bekl. dagegen, dass das LG die mit Kostenfestsetzungsantrag vom 26.3.2020 mit beantragte Einigungsgebühr nach §§ 2, 13 Abs. 1 RVG i.V.m. Nrn 1003, 100 VV RVG nicht festgesetzt hat.
Der Begründung des LG, die beantragte Einigungsgebühr könne nicht festgesetzt werden, weil es an einer Kostengrundentscheidung fehle, ist nicht zu folgen. Vielmehr stellt der Beschl. des LG Neuruppin v. 1.4.2020, nach dem der Kl. die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, die maßgebliche Kostenentscheidung dar. Dieser Titel sagt aus, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat, während die Höhe der zu erstattenden Kosten nach Maßgabe der Vorgaben der VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff ZPO ermittelt und festgesetzt werden (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl. 2018, §§ 103, 104 ZPO Rn 1).
Entgegen der Ansicht des Kl. kann die Bekl. auch die Erstattung einer Einigungsgebühr nach VV RVG 1000 verlangen. Diese Gebühr entsteht nach VV RVG 1000 Abs. 1 Nr. 1 u.a. für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Diese Voraussetzungen sind bereits nach dem Vortrag des Kl. erfüllt, denn er macht geltend, dass die Parteien zur Erledigung des Rechtsstreits eine Einigung über die Rücknahme der Klage und die dafür seitens der Bekl. zu erbringende Gegenleistung getroffen haben. Mit dieser Regelung haben die Parteien den Streit über die Passivlegitimation der Bekl. und eine mögliche Verjährung eines Teils der geltend gemachten Forderungen beseitigt. Das hat auch die Bekl. im Kern so vorgetragen. Dass die Parteien nunmehr über den Umfang der Einigung streiten, steht der Entstehung der Einigungsgebühr nicht entgegen, denn dieser Dissens betrifft nur einen Teil der Abrede, nämlich betreffend der an die Bekl. zu erstattenden gerichtlichen Kosten. Hingegen tragen die Parteien übereinstimmend vor, Konsens über die Rücknahme der Klage und die Erstattung der dem Kl. entstandenen vorgerichtlichen Kosten durch die Bekl....