Wenn in der Regulierungspraxis zusätzliche Kosten für eine Desinfektion gefordert werden, fällt auch auf, dass es sich meistens um Pauschalen ohne eine weitere Darlegung der einzelnen Tätigkeiten handelt, die durchaus eine Größenordnung von 60-80 EUR erreichen – im Einzelfall wurden sogar Beträge bis zu 190 EUR zzgl. MwSt. gefordert.
Derart hohe Beträge bis 200 EUR sind in der Regel nicht nachvollziehbar. Dabei ist zu beachten, dass die reinen Materialkosten für den Einsatz eines Desinfektionsmittels als sehr gering anzusetzen sein dürften – so kann ein Liter dieses Mittels handelsüblich für 3-4 EUR erstanden werden und eine solche Menge wird bei Arbeiten an einem einzelnen Kfz ohnehin nicht benötigt. Gleiches gilt für den Preis von Schutzfolien, die vor der Pandemie üblicherweise gar nicht gesondert berechnet worden sind. Auch der zusätzliche Zeitaufwand für den Einsatz eines Mitarbeiters bei überschaubaren Reinigungsmaßnahmen dürfte sich auf wenige Minuten beschränken, ggf. dürfte auch nur der Stundenlohn für eine Reinigungskraft anzusetzen sein. Ohne weitere konkrete Nachweise tendieren einzelne Gerichte nach diesem Maßstab konsequent dazu, eine pauschale Größenordnung von 10 EUR bis 20 EUR als Obergrenze anzusehen – wenn denn tatsächlich hierzu ein konkreter Reinigungsauftrag mit einer gesonderten Vergütungsvereinbarung erteilt wurde und diese Aufwendungen auch dem Schutzzweck nach von der einschlägigen Norm des Schadensersatzrechts erfasst sein sollten.
Dies kann aber dann anders betrachtet werden, wenn eine umfangreichere Arbeitszeit mitberücksichtigt wird, die allerdings näher zu begründen ist. Insoweit ist auch zu beachten, dass die Interessengemeinschaft Fahrzeugtechnik und Lackierung, IFL e.V., in Zusammenarbeit mit dem Allianz Zentrum für Technik (AZT) und dem Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) in der Technischen IFL-Mitteilung Nr. 21/2020 eine Zeit- und Materialstudie zu den Schutzmaßnahmen Corona-Virus (SARS-CoV-2) veröffentlicht hat. Danach ergeben sich für die Desinfektionsarbeiten für Annahme und Rückgabe des Fahrzeugs inklusive aller vor- und nachbereitenden Tätigkeiten ein aufgerundeter Arbeitswert von 3 Arbeitswerten sowie weitere einmalige Kosten für benötigtes Verbrauchsmaterial in Höhe von 7,50 EUR. Hieraus würde sich ein 3/10 Stundensatz der eingesetzten Kraft ergeben – bei einer einfachen Reinigungskraft mithin 10 EUR, bei einer Karosseriefachkraft dagegen ca. 40 EUR + jeweils 7,50 EUR Materialkosten. Dabei ist allerdings auch der Anteil abzuziehen, der als vorbereitende Tätigkeit dem Schutz der eigenen Mitarbeiter der Werkstatt dient – es bleibt dann auch nach dieser Einschätzung ein Betrag in einer Größenordnung von 30 EUR als Orientierungswert. Noch ein wenig weiter geht z.B. das AG Aichach mit einem Wert von 43 EUR für die angefallenen Personalkosten.
Eine weitergehende Abrechnung dürfte dagegen nicht mehr der Deckung von Nebenkosten, sondern einer Gewinnmaximierung unter dem Deckmantel von Hygienemaßnahmen dienen.
Praxistipp: Wenn es auf die Höhe der erforderlichen Kosten ankommt, bietet sich im Prozess mithin für den Tatrichter eine Schätzung anhand der Zeit- und Materialstudie des IFL/AZT an, ohne dass ein kostenintensives Gutachten eingeholt werden müsste. Der Materialkostenanteil ist dann auf 7,50 EUR zu schätzen und darauf ein anteiliger Aufschlag mit den Personalkosten vorzunehmen, die allein dem Kundenschutz dienen.