RVG § 9; BGB § 667 § 675; HGB § 129 Abs. 1 § 159 Abs. 1; VVG § 86
Leitsatz
1. Der Anspruch auf Rückzahlung eines nicht verbrauchten Vorschusses für die Gebühren eines Rechtsanwalts entsteht aufschiebend bedingt bereits mit der Leistung des Vorschusses (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 7.3.2019 – IX ZR 143/18, zfs 2019, 343 m. Anm. Hansens = RVGreport 2019, 208 (Hansens) = AGS 2019, 170 m. Anm. N. Schneider. (Rn 11)
2. Die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters einer aufgelösten Gesellschaft verjährt auch dann in fünf Jahren, wenn die Gesellschaftsschuld einer kürzeren Verjährung unterliegt. (Rn 21)
BGH, Urt. v. 16.12.2021 – IX ZR 81/21
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Die Klägerin, ein Rechtsschutzversicherer, verlangt aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Rückzahlung eines nicht verbrauchten Gebührenvorschusses für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins in einem finanzgerichtlichen Verfahren. Der Vorschuss betrug 1.994,40 EUR und errechnete sich aus einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG nach einem Gegenstandswert i.H.v. 167.835,72 EUR. Der Beklagte zu 1 (nachfolgend nur noch: der Beklagte) war neben dem Beklagten zu 2 Gesellschafter der Rechtsanwalts-GbR, die von der Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragt worden war.
Mit Schreiben vom 10.6.2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass über das Vermögen der Versicherungsnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und es zu der bevorschussten Wahrnehmung des Gerichtstermins deshalb (absehbar) nicht mehr kommen werde. Ferner wies er darauf hin, dass die beauftragte Rechtsanwalts-GbR aufgelöst worden sei und zwischenzeitlich nicht mehr existiere. Daraufhin nahm die Klägerin die Beklagten als Gesellschafter erfolglos außergerichtlich auf Rückzahlung des Vorschusses für die Wahrnehmung des Gerichtstermins in Anspruch. Am 12.2.2019 erwirkte die Klägerin den Erlass von Mahnbescheiden gegen die Beklagten. Am 20.2.2019 erhob der Beklagte Widerspruch. Das Verfahren geriet in Stillstand und wurde von der Klägerin durch Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses für die Durchführung des streitigen Verfahrens am 25.6.2020 weiter betrieben.
Im streitigen Verfahren haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben. Das AG Osnabrück hat beide Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die (nur) vom Beklagten beim LG Osnabrück eingelegte Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage aufgrund der erhobenen Verjährungseinrede erreichen.
2 Aus den Gründen:
Zitat
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
[5] I. Das Berufungsgericht hat einen Zahlungsanspruch aus §§ 675, 667 BGB angenommen, der zunächst der Versicherungsnehmerin der Klägerin zugestanden habe und gemäß § 86 VVG auf die Klägerin übergegangen sei. Der Anspruch sei nicht verjährt. Zur einer Verjährung gelange man nur, wenn man annehme, dass der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB schon unterjährig mit der Erlangung der Kenntnis von der Auflösung der Rechtsanwalts-GbR in Gang gesetzt worden sei und nicht erst mit dem Schluss des entsprechenden Jahres. Maßgeblich sei hier allerdings gemäß § 199 Abs. 1 BGB der Schluss des Jahres. Anderes folge nicht aus § 159 Abs. 2 HGB. Der Gesellschafter einer aufgelösten Gesellschaft bedürfe nicht des Schutzes des § 159 HGB, wenn die Ansprüche gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährungsfrist unterlägen, als der von § 159 Abs. 1 HGB vorgesehenen Fünfjahresfrist. § 159 Abs. 2 HGB sei nur anwendbar bei Verjährungsfristen im Sinne des § 159 Abs. 1 Halbsatz 1 HGB, also solchen, die nicht kürzer als fünf Jahre seien. Anderenfalls müsste der Gesellschafter-Gläubiger eine nicht durch die Schutzbedürftigkeit der ehemaligen Gesellschafter gerechtfertigte Verjährungsverkürzung noch unterhalb der Regelverjährung hinnehmen, die in der Gesetzessystematik keine Grundlage finde.
[6] II. Das hält rechtlicher Prüfung stand …
[8] 2. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Rückzahlung des nicht verbrauchten Gebührenvorschusses für die Wahrnehmung des Gerichtstermins angenommen.
[9] a) Aus dem Anwaltsvertrag folgt ein Anspruch auf Rückgewähr desjenigen Teils des geleisteten Vorschusses, der die tatsächlich geschuldete Vergütung übersteigt. Die Rückzahlung derartiger Vorschüsse richtet sich nicht nach § 812 BGB. Für sie sind vielmehr die §§ 675, 667 BGB mindestens entsprechend anzuwenden (BGH, Urt. v. 7.3.2019 – IX ZR 143/18, zfs 2019, 343 m. Anm. Hansens = RVGreport 2019, 208 (Hansens) = AGS 2019, 170 m. Anm. N. Schneider Rn 6). Der Rechtsanwalt hat über erhaltene Vorschüsse abzurechnen. Eine entsprechende vertragliche Pflicht folgt aus §§ 675, 666 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2019, a.a.O. Rn 11). Unabhängig von der Abrechnung braucht der Rechtsanwalt erhaltene Vorschüsse nicht zurück zu gewähren, soweit sein Vergütungsanspruch entstanden und fällig geworden ist (BGH, Urt. v. 7.3.2019, a.a.O. Rn 13).
[10] Nach der Rechtsprechung des BGH entsteht der A...