Auch das Recht auf Erhalt einer Kopie des Gutachtens besteht allerdings nicht schrankenlos, sondern ist ebenfalls einer Güterabwägung nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO unterworfen. Denn dem Erhalt einer Kopie können die Rechte anderer Personen, d.h. sowohl von dritten Personen als auch dem Verantwortlichen selber, im Rahmen einer Güterabwägung entgegenstehen. Insoweit ist insbesondere auf ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Versicherers als datenschutzrechtlich Verantwortlichem im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DS-GVO abzustellen. Hier greifen mithin die gleichen Erwägungen wie bei der Güterabwägung nach § 242 BGB ein, die schon in der Rechtsprechung anerkannt sind. Ein überwiegendes Interesse des Versicherers ist insbesondere dann zu bejahen, wenn durch den Versicherungsnehmer versucht wird, den Versicherer arglistig zu täuschen und eine Versicherungsleistung zu erhalten, die entweder gar nicht oder nicht in dieser Höhe berechtigt ist. Insbesondere wenn und soweit in diesen Fällen die Gefahr besteht, dass der Versicherungsnehmer den von ihm vorzutragenden Sachverhalt anpasst, wenn ihm die Erkenntnisse des Versicherers bekannt sind, ist der Versicherer gerade nicht verpflichtet, dem Versicherungsnehmer im Rahmen eines Auskunftsanspruchs die Informationen an die Hand zu geben, damit der Versicherungsnehmer seinen geplanten Betrug erfolgreich vollenden kann. Bei der von dem Versicherer verfolgten effektiven Betrugsabwehr ist ein solches Gutachten entweder gar nicht oder aber in wesentlichen Grundzügen nicht vorzulegen. Dabei ist auch zu beachten, dass nach Erwägungsgrund 47 der DS-GVO die Betrugsabwehr ein anerkanntes Ziel darstellt, welches auch im Rahmen einer Güterabwägung anzustellen ist.
Praxishinweis: Damit das Ziel einer effektiven Betrugsabwehr bei einem noch nicht eingeklagten Leistungsanspruch weiter erreicht werden kann, ist der Versicherer auch nicht verpflichtet, bei einem "zeitlich vorgelagerten" Auskunftsanspruch im Gegenzug zu beweisen, dass tatsächlich ein Betrugsversuch vorliegt und im Rahmen eines solchen Beweises dann doch das Gutachten vorzulegen. Vielmehr dürfte es – wie bisher schon in der Rechtsprechung anerkannt – ausreichen, wenn der Versicherer nachvollziehbar seine Verdachtsgründe darlegt, ohne die Details aus dem betroffenen Gutachten offen zu legen und der Versicherungsnehmer sodann auf eine Leistungsklage verwiesen wird, solange die ernsthafte Möglichkeit bzw. Gefahr einer Sachverhaltsanpassung besteht.