VVG § 125 § 128; ARB 2006 § 18 Abs. 1 Buchst. A
Leitsatz
Der Rechtsschutzversicherung darf seine Deckungszusage dahin beschränken, dass Kostenschutz für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht gewährt wird.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Dortmund, Urt. v. 9.12.2021 – 2 O 133/21
Sachverhalt
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Rechtsschutzversicherung.
Der Kl. unterhält bei der T AG eine Rechtschutzversicherung. Dem Vertrag liegen die ARB 2006 zugrunde.
Hier heißt es unter § 18 ARB 2006:
Zitat
(1) Lehnt der VR den Rechtsschutz ab,
a) weil der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Bekl. der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht oder
b) weil in den Fällen des § 2a bis g die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat,
ist dies dem VN unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.
(2) Hat der VR seine Leistungspflicht gemäß Absatz 1 verneint und stimmt der VN der Auffassung des VR nicht zu, kann er den für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf Kosten des VR veranlassen, diesem gegenüber eine begründete Stellungnahme abzugeben, ob die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Die Entscheidung ist für beide Teile bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.
Die Bekl. ist das Schadenabwicklungsunternehmen des VR.
Im Januar 2015 kaufte der Kl. bei der P GmbH ein Fahrzeug der Marke M des Herstellers W zu einem Kaufpreis von brutto 18.500,00 EUR. Ein amtlicher Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes für das Fahrzeug wegen des Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen liegt nicht vor.
Die Bekl. gewährte dem Kl. Deckungsschutz für ein Klageverfahren in der 1. Instanz. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:
Zitat
Soweit Sie in Ihrer Klage Beweisantritte durch Sachverständigengutachten anbieten wollen, weisen wir daraufhin, dass diese nur soweit vom Deckungsschutz erfasst sind, als sie sich auf das konkret betroffene Kfz beziehen und sie für die Durchsetzung der Ansprüche im Zusammenhang mit dem Abgasskandal notwendig sind. […]
Es besteht kein Versicherungsschutz für ein auf den Nachweis einer unzulässigen Abschalteinrichtung bezogenes Gutachten.
Die Bekl. teilte auch mit, dass die Zusage nur für eine Klage unter Abzug einer Nutzungsentschädigung ergehe. Die Bekl. wurde noch einmal mit Anwaltsschreiben vom 21.3.2020 auf die nach Ansicht des Kl. geltende Sach- und Rechtslage hingewiesen. Sie verblieb bei ihrer Rechtsauffassung.
2 Aus den Gründen:
Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kl. steht ein Anspruch auf Deckungsschutz im Hinblick auf ein etwaiges Verfahren gegen die W, der über die erteilte Deckungszusage hinausginge, aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere besteht kein solcher Anspruch aus der zwischen den Parteien bestehenden Rechtschutzversicherung. Die Beklagte hat den zu gewährenden Deckungsschutz in zulässiger Weise mit Schreiben vom 13.3.2020 beschränkt.
Der Inhalt einer Deckungszusage ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu bestimmen (vgl. BGH NJW 2014, 3030). Aus dem Wortlaut des Schreibens vom 13.3.2020 ergibt sich für einen durchschnittlichen VN eindeutig eine Beschränkung im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten, welches dem Nachweis einer unzulässigen Abschalteinrichtung dient.
Diese Beschränkung erfolgte jedoch gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. a) ARB 2006 berechtigt. Die Klausel berechtigt den VR nicht nur, die Gewährung von Rechtsschutz vollständig abzulehnen, sofern der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht; vielmehr ist es auch zulässig, nur bestimmte, vom Leistungsversprechen des VRs grundsätzlich umfasste Kosten unter diesen Voraussetzungen vom Deckungsschutz auszunehmen. Die grundsätzliche Möglichkeit eines solchen Vorgehens liegt im Interesse des VNs, da der VR andernfalls gehalten wäre, den Deckungsschutz insgesamt zu versagen, wenn die bloße Möglichkeit einer kostenträchtigen und daher gegebenenfalls gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. a) ARB 2006 nicht mehr vom Versicherungsschutz umfassten Beweisaufnahme steht (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2022, 259).
Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Buchst. a) ARB 2006 liegen vor. Das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit von Kostenaufwand und erstrebten Nutzen stellt eine Konkretisierung des in § 128 VVG verwendeten Begriffs der Mutwilligkeit dar (vgl. Piontek, in: Prölls/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, ARB 2010, § 3a Rn 12). Ein grobes Missverhältnis von Kosten und Nutzen liegt vor, wenn die Kosten den erwarteten Nutzen erheblich übersteigen (vgl. Schmitt, in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung: ARB, 9. Aufl. 2018, ARB 2010, § 3a, Rn 23). Grundsätzlich nicht versic...