Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzversicherung: Mutwilligkeit einer "Dieselklage" (Sachverständigenkosten); Wirkung einer Deckungszusage

 

Leitsatz (amtlich)

(Entscheidung in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.)

Die Beschränkung der Deckungszusage eines Rechtsschutzversicherers bei einer sog. "Dieselklage" dahin, dass die Beweiserhebung über das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch Sachverständigengutachten nicht erfasst ist, kann wirksam sein. Wirksamkeit hier bejaht (unter 2 a).

Die Rechtsverfolgung ist mutwillig und daher wegen der entsprechenden Versicherungsbedingung nicht versichert (vgl. etwa § 3a Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b ARB 2010), wenn die Beweisaufnahmekosten (für einen Sachverständigen) ein Mehrfaches des angestrebten wirtschaftlichen Erfolgs ausmachen und der Ausgang - wie hier - ungewiss ist (unter 2 b).

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 4 O 161/21)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 31. Mai 2021 gegen den seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ablehnenden Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 7. Mai 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung den Ausspruch der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einzahlung eines in einem Klageverfahren des Antragstellers und dortigen Klägers gegen die A AG vor dem Landgericht Bielefeld festgesetzten Auslagenvorschusses für einen gerichtlich bestellten Sachverständigen.

Er unterhält beim B a.G. (im Folgenden: Versicherer) seit dem Jahre 2016 eine Rechtsschutzversicherung unter Geltung Allgemeiner Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (im Folgenden: ARB). Versichert ist unter anderem Privatrechtsschutz. Die Antragsgegnerin ist das vom Versicherer beauftragte Schadensabwicklungsunternehmen.

Die Bestimmung des § 3a ARB sieht die Anwendung des so genannten Stichentscheids-Verfahrens vor. Sie lautet wie folgt:

"(1) Der Versicherer kann den Rechtsschutz ablehnen, wenn seiner Auffassung nach

a) in einem der Fälle des § 2a-g die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat

oder

b) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen mutwillig ist. Mutwilligkeit liegt dann vor, wenn der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht.

Die Ablehnung ist dem Versicherungsnehmer in diesen Fällen unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.

(2) Hat der Versicherer seine Leistungspflicht gemäß Abs. 1 verneint und stimmt der Versicherungsnehmer der Auffassung des Versicherers nicht zu, kann er den für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf Kosten des Versicherers veranlassen, diesem gegenüber eine begründete Stellungnahme abzugeben, ob die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Die Entscheidung ist für beide Teile bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.

(3) Der Versicherer kann dem Versicherungsnehmer eine Frist von mindestens einem Monat setzen, binnen der der Versicherungsnehmer den Rechtsanwalt vollständig und wahrheitsgemäß über die Sachlage zu unterrichten und die Beweismittel anzugeben hat, damit dieser die Stellungnahme gemäß Abs. 2 abgeben kann. Kommt der Versicherungsnehmer dieser Verpflichtung nicht innerhalb der vom Versicherer gesetzten Frist nach, entfällt der Versicherungsschutz. Der Versicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer ausdrücklich auf die mit dem Fristablauf verbundenen Rechtsfolgen (Verlust des Versicherungsschutzes) hinzuweisen."

Der Antragsteller erwarb im Januar 2018 von einem Gebrauchtwagenverkäufer zu einem Kaufpreis von 14.990 EUR einen im Jahre 2010 erstmals zum Verkehr zugelassenen Pkw C. Das Fahrzeug wies im Erwerbszeitpunkt eine Laufleistung von 100.100 km auf. Im Jahre 2020 beabsichtigte er, gegen den Hersteller des Fahrzeugs, die A AG, Klage auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu erheben. Er erbat mit einer E-Mail der Kanzlei seiner nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten vom 17. Januar 2020 eine Deckungszusage für das gerichtliche Verfahren. Diese erteilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 4. Mai 2020 mit Einschränkungen und verwies auf die Möglichkeit des Stichentscheid-Verfahrens. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

"... für die Interessenwahrnehmung erster Instanz besteht Versicherungsschutz.

...

Soweit Sie in Ihrer Klage Beweisantritte durch Sachverständigengutachten anbieten wollen, weisen wir darauf hin, dass diese nur soweit vom Deckungsschutz erfasst sind, als sie sich auf das konkret betroffene KFZ beziehen und...

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