[1] Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

[2] Die vom Landgericht nach § 17 Abs. 1 u. 2 StVG vorgenommene Haftungsverteilung ist nicht zu beanstanden.

[3] 1. Die Beklagten belastet neben der von dem Traktor ausgehenden Betriebsgefahr das schuldhafte und unfallursächliche Verhalten des Beklagten zu 1. Dieser hat die beim Rückwärtsfahren nach § 9 Abs. 5 StVO geforderte höchste Sorgfalt zum Ausschluss jeglicher Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer nicht beachtet. Denn der Beklagte zu 1 ist während der Rückwärtsfahrt mit dem sich bereits auf der Fahrbahn befindlichen Fahrzeug der Klägerin, gesteuert von dem Zeugen A, kollidiert. Zugleich hat der Beklagte zu 1 durch sein Verhalten gegen die Vorschrift des § 10 S. 1 StVO verstoßen. Denn er beabsichtigte mit dem Traktor aus einem privaten Grundstück auf die Straße einzufahren, was nach der eingangs genannten Vorschrift ebenfalls voraussetzt, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

[4] 2. Hingegen ist ein schuldhaftes und unfallursächliches Verhalten des Zeugen A nicht festzustellen. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO nicht vor. Zwar hatte auch der Zeuge A zunächst den von ihm gesteuerten Pkw F rückwärts auf die Fahrbahn gelenkt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, basierend auf den Ausführungen des Sachverständigen B, war der Pkw im Moment der Kollision aber nicht mehr in Rückwärtsfahrt. In diesem Fall scheidet ein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO denknotwendig aus. An seiner Auffassung, wonach im Falle der Kollision auch dann der Anschein für ein Verschulden des Zurücksetzenden spricht, wenn der Zurücksetzende zum Kollisionszeitpunkt bereits zum Stehen gekommen ist, gleichwohl aber ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang mit dem Zurücksetzen gegeben ist, hält der Senat seit Bekanntwerden der entgegenstehenden Rechtsprechung des BGH v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15 – juris Rn 15 – NJW 2016, 1098, nicht länger fest. Nach der Rechtsprechung des BGH greift der Anscheinsbeweis gegen den zunächst zurücksetzenden Fahrer schon dann nicht mehr, wenn auch nur nicht ausgeschlossen werden kann, dass er vor der Kollision noch zum Stehen gekommen ist und der andere rückwärtsfahrende Fahrer in das stehende Fahrzeug hineingefahren ist.

[5] 3. Auch ein Verstoß gegen § 10 S. 1 StVO scheidet aus. Zwar ist auch der Zeuge A mit dem Pkw F von einem anderen Straßenteil bzw. einem Privatparkplatz auf die Fahrbahn eingefahren, was ihn seinerseits zur Beachtung höchster Sorgfaltspflichten veranlassen musste. Dies umfasste grundsätzlich auch die Berücksichtigung anderer Verkehrsteilnehmer, die ihrerseits beabsichtigten, von der gegenüberliegenden Seite aus von einem Grundstück auf die Fahrbahn einzufahren. Denn "anderer Verkehrsteilnehmer" im Sinne der §§ 9 Abs. 5, 10 S. 1 StVO ist jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, d.h. körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt. Darunter fällt nicht nur der fließende Durchgangsverkehr auf der Straße, sondern auch derjenige, der auf der anderen Straßenseite vom Fahrbahnrand anfährt, vgl. BGH v. 15.5.2018 – VI ZR 231/17 – juris Rn 12 – NJW 2018, 3095.

[6] 4. Vorliegend war es zwar so, dass der Zeuge A vor Einleitung seines Rückfahrmanövers den in der gegenüberliegenden Einfahrt mit dem Heck zur Straße hin gewandten Traktor hat stehen sehen, er aber keinen Anhalt dafür hatte, dass dieser alsbald rückwärts aus der Einfahrt auf die Straße zurücksetzen würde, um entgegen seiner ursprünglichen Fahrtrichtung seine Fahrt fortzusetzen. Dies unterscheidet die hier zu beurteilende Situation von der, die der Entscheidung des BGH zugrunde lag. Dort hatte die Zurücksetzende wahrgenommen, dass der Fahrer des auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehenden Fahrzeugs in dieses eingestiegen war und er es würde zurücksetzen müssen, um die Parklücke verlassen zu können und dabei ihren Fahrweg grundsätzlich hätte kreuzen können.

[7] 5. Auch wenn der Zeuge A im Moment der Kollision sich noch auf Höhe des Traktors befunden hat, vermag der Senat einen Verstoß nach § 10 S. 1 StVO nicht festzustellen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen B ist nicht nur davon ausgehen, dass der Zeuge A zum Stillstand gekommen war, sondern schon wieder angefahren und sich in – wenn auch langsamer – Vorwärtsfahrt befunden hat, als es zur Kollision mit dem vorderen Anbau des zurücksetzenden Traktors kam. Das rechtfertigt die Annahme, dass der Einfahrvorgang auf die Straße durch den Zeugen A unter Beachtung jedenfalls des fließenden Verkehrs erfolgt ist. Soweit man mit Blick auf den Traktor einen Verstoß gegen § 10 S. 1 StVO in Betracht zieht, lässt sich ein entsprechender Nachweis nicht führen. Anscheinsbeweisgrundsätze zugunsten der Beklagten greifen hier nicht, weil die einen solchen prima facie Beweis rechtfertigenden notwendigen Anknüpfungstatsachen nicht feststehen. Es steht eben nicht fest, dass Trakto...

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