BGB § 1357; VVG § 81 Abs. 2
Leitsatz
1. Grundsätzlich ist es nicht als grob fahrlässig im Sinne des § 81 Abs. 2 VVG zu bewerten, wenn ein VN nicht kontrolliert, ob seine Ehefrau seiner Aufforderung, das versicherte Wohnmobil abzuschließen, nachgekommen ist. Es obliegt vielmehr dem VR im Rahmen seiner Darlegungs- und Beweislast Anhaltspunkte dafür vorzutragen, weshalb das unter Ehegatten als üblich anzusehende Vertrauen im konkreten Fall nicht angezeigt war.
2. Bei dem Abschluss eines Kfz-Teilkasko-Versicherungsvertrages eines Ehegatten für ein Wohnmobil handelt es sich jedenfalls dann nicht um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie i.S.v. § 1357 Abs. 1 BGB, wenn die Beteiligung des anderen Ehegatten lediglich darin besteht, das Wohnmobil zu Urlaubs- und Freizeitzwecken mit zu nutzen.
OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.2023 – 6 U 107/21
1 Aus den Gründen:
Das LG hat zutreffend entschieden, dass der Kl. von der Bekl. aus der zwischen den Parteien geschlossenen Teilkaskoversicherung gemäß Ziff. A.2.6.1 der … unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung von 150,00 EUR und der bereits erfolgten Zahlung in Höhe von 15.916,67 EUR die Zahlung von weiteren 32.133,33 EUR verlangen kann.
Der Versicherungsfall gemäß § 1 S. 1 VVG, Ziff. A.2.2.2 AKB 2018 ist eingetreten, nachdem das versicherte Wohnmobil unstreitig am 0.0.2019 entwendet wurde.
Der Senat teilt die Ansicht des LG, dass die Bekl. nicht nach § 81 Abs. 2 VVG, Ziff. 2.16.1 AKB 2018 zur teilweisen Leistungskürzung berechtigt ist.
Nach den vorgenannten Regelungen ist der VR berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wenn der VN den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Objektiv grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei einfachste und nahe liegende Maßnahmen nicht ergreift, die im konkreten Fall jedem hätten einleuchten müssen (…). Grobe Fahrlässigkeit setzt überdies subjektiv ein besonders hohes Maß an Vorwerfbarkeit voraus. Es muss sich um eine auch subjektiv unentschuldbare Pflichtwidrigkeit handeln, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (vgl. BGH, Urt. v. 26.7.2016 – VI ZR 322/15 juris Rn 19 …). Deshalb sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive, personale Seite der Verantwortlichkeit betreffen; die Annahme grober Fahrlässigkeit bedarf konkreter Feststellungen nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven Seite (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.2022 – VI ZR 409/19-, juris Rn 15). Sowohl für die objektive als auch für die subjektive Seite der groben Fahrlässigkeit trägt der VR die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 57/88-, juris Rn 21). Ferner setzt eine Leistungskürzung voraus, dass der Versicherungsfall durch das grob fahrlässige Verhalten verursacht worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 31.7.2014 – 12 U 44/14-, juris Rn 29). Zutreffend hat das LG nach diesen Maßstäben eine Berechtigung der Bekl. zur Leistungskürzung im Ergebnis verneint. Auch das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Würdigung der Sach- und Rechtslage.
1.1. Das Zurücklassen des regelmäßig genutzten Fahrzeugschlüssels in der Ablage durch den Kl. ist jedenfalls subjektiv nicht grob fahrlässig erfolgt. Denn der Kl. hat unstreitig dafür Sorge getragen, dass der Fahrzeugschlüssel in der Mittagspause nicht im Wohnmobil verbleibt und hierzu seiner Ehefrau zugerufen, diesen Schlüssel mit ins Haus zu bringen. Lediglich aufgrund eines Missverständnisses ist jene dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Hierzu hat das LG überzeugend ausgeführt, dass ein solches Missverständnis letztlich jedem passieren kann. Eine subjektiv unentschuldbare Pflichtwidrigkeit vermag auch der Senat darin nicht zu erblicken. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kl. Anzeichen für das Missverständnis bei Verlassen der Einfahrt hätte bemerken müssen.
1.2. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf einen möglicherweise erfolgten Diktionsfehler des Kl. dahingehend, dass er seine Ehefrau lediglich zum Mitbringen des Schlüssels und nicht ausdrücklich zum Abschließen des Wohnmobils aufgefordert hat. Dies stellt jedenfalls in subjektiver Hinsicht kein unentschuldbares Fehlverhalten dar, zumal in der Aufforderung der Schlüsselmitnahme gemeinhin auch die Aufforderung zum Abschließen liegt. Andernfalls hätte es eines Zurücklassens des Fahrzeugschlüssels für die Ehefrau nicht bedurft, Schließlich hätte sich ein etwaiger Diktionsfehler nicht kausal ausgewirkt, weil die Ehefrau des Kl. dessen Zuruf ohnehin nicht richtig verstanden hatte; ohne dass dies dem Kl. subjektiv als schlechthin unentschuldbar vorgeworfen werden könnte.
1.3. Auch die Umstände, dass der Kl. weder das Abschließen des Wohnmobils noch das Mitbringen des Fahrzeugschlüssels durch seine Ehefrau kontrolliert hat, sind nicht als grob fahrlässig zu bewerten. Die Ansicht der Bekl., dass das...