StVO § 23c Abs. 1 S. 3
Leitsatz
Ein durch § 23c Abs. 1 Satz 3 StVO verbotenes Verwenden der zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten Funktion eines technischen Geräts, das auch zu anderen Nutzungszwecken verwendet werden kann, liegt auch dann vor, wenn ein anderer Fahrzeuginsasse mit Billigung des Fahrzeugführers auf seinem Mobiltelefon eine App geöffnet hat. mit der vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen gewarnt wird.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.2.2023 – 2 ORbs 35 Ss 9/23
1 Sachverhalt
Durch Urteil des AG wurde der Betroffene wegen vorsätzlichen Mit-Sich-Führens eines betriebsbereiten technischen Geräts, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen, zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen fuhr der Betroffene im Stadtgebiet einen Pkw mit teilweise deutlich überhöhter Geschwindigkeit und unterließ mehrfach den gebotenen Einsatz des Fahrtrichtungsanzeigers. Dabei wusste er, dass auf dem in der Mittelkonsole abgelegten Mobiltelefon seiner Beifahrerin die App "Blitzer.de" geöffnet war. Die Überzeugung zur vom Betroffenen bestrittenen subjektiven Tatseite hat das Amtsgericht auf eine Bekundung des den Betroffenen kontrollierenden Polizeibeamten gestützt, wonach der Betroffene nach dem Anhalten bewusst das Mobiltelefon zur Seite geschoben habe, und dies außerdem in Beziehung zu dem vorherigen Fahrverhalten des Betroffenen gesetzt.
Mit dem form- und fristgerecht eingelegten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird geltend gemacht, dass ein Verstoß gegen die Norm nur bei einem vom Fahrzeugführer selbst wissentlich aktivierten Gerät vorliege, das sich in seinem unmittelbaren Zugriff befindet. Das OLG Karlsruhe hat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen, um die über den Einzelfall hinaus bedeutsame Frage zu klären, ob ein durch § 23 Abs. 1c Satz 2 StVO verbotenes Verwenden der zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten Funktionen eines technischen Gerätes, das auch zu anderen Nutzungszwecken verwendet werden kann, auch dann vorliegt, wenn ein anderer Fahrzeuginsasse mit Billigung des Fahrzeugführers auf seinem Mobiltelefon eine App geöffnet hat, mit der vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen gewarnt wird. Sodann hat das OLG Karlsruhe die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Betroffene des vorsätzlichen Verwendens der Funktion eines auch zu anderen Nutzungszwecken verwendeten technischen Geräts zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen schuldig ist.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldspruchänderung (§§ 79 Abs. 6 OWiG), im Übrigen ist sie unbegründet (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
1. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§§ 46 OWiG, 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Betroffenen zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die rechtsbeschwerderechtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt oder sich die Schlussfolgerungen des Tatrichters so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (st. Rspr. des BGH, vgl. etwa BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 64; NStZ-RR 2019, 317). Daran gemessen bilden insbesondere die zur Begründung der Annahme vorsätzlichen Handelns des Betroffenen angeführten Umstände eine hinreichende tatsächliche Grundlage für den daraus von der Tatrichterin gezogenen Schluss.
2. Die getroffenen Feststellungen tragen allerdings nicht eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1c Satz 1 und 2 StVO. In der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist dazu zutreffend ausgeführt:
"Bei dem vom Betroffenen verwendeten Geräte, einem Smartphone, auf dem die App "Blitzer.de" aktiviert war, handelt es sich jedoch nicht um ein Gerät, dass dazu bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen. Es handelt sich vielmehr um ein Gerät, dass neben anderen Nutzungszwecken auch zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen verwendet werden kann. Daher unterfällt das Smartphone mit der aktivierten App "Blitzer.de" nicht § 23 Abs. 1c Satz 1-2 StVO, sondern § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO (Hentschel/König/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. [2021], § 23 StVO Rn 36). Diese Differenzierung, die erst mit der Änderung von § 23 Abs. 1c StVO durch die 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.4.2020 (BGBl I ...