StVO § 3
Leitsatz
Wird eine Geschwindigkeitsmessung aus nachfahrendem Fahrzeug mittels Stoppuhr vorgenommen, muss bereits wegen optischer Fehlermöglichkeiten für die Bestimmung der die Messstrecke festlegenden Autobahnkilometrierungen einen Sicherheitsabschlag erfolgen. Hinzu kommen weitere Toleranzabzüge in Bezug auf die Vermessung der Autobahnkilometrierungen, die Fehlergrenzen der verwendeten Stoppuhr und das Stoppen der Zeit von Hand. Das Tatgericht muss zu allen Aspekten geeignete Feststellungen treffen. Nicht zulässig ist die bloße Anwendung der Rechtsprechung zur Geschwindigkeitsermittlung durch Hinterherfahren mit ungeeichtem Tachometer und einem Abzug von 20 % der abgelesenen Geschwindigkeit. (Leitsatz der Redaktion)
OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.12.2022 – 2 Ss(OWi) 183/22
1 Sachverhalt
Durch das angefochtene Urteil hat das AG den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 400 EUR und einem Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verurteilt. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat das OLG Oldenburg das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Die Geschwindigkeitsmessung ist festgestellt worden mittels einer Stoppuhrmessung aus einem nachfahrenden Polizeifahrzeug. Tatzeit war gegen 1:15 Uhr am TT.MM.2021. Die bisher getroffenen Feststellungen sind für die erfolgte Verurteilung unzureichend.
Soweit ersichtlich, gibt es lediglich eine obergerichtliche Entscheidung zu einer Geschwindigkeitsmessung anhand Fahrbahnkilometrierungen mittels geeichter Stoppuhr. Das OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.5.1993 – 2 Ss 24/93,VRS 85, 366) hat hierzu ausgeführt, dass gegen das genannte Verfahren zur Ermittlung einer Geschwindigkeitsüberschreitung jedenfalls dann grundsätzliche Bedenken bestünden, wenn die Weg- und Zeitmessung von nur einem Beamten aus einem nachfahrenden Fahrzeug erfolge und der Sicherheitsabzug von der ermittelten Durchschnittsgeschwindigkeit bei einer Messstrecke von 500 m nicht mindestens 10 % betrage. Für die Zuverlässigkeit der Weg-Zeit-Messung sei zunächst wesentlich, dass am Beginn und am Ende der Messung eindeutiger Sichtkontakt der Polizeibeamten zum überwachten Fahrzeug und den die Messstrecke festlegenden Autobahnkilometrierungen bestehe.
Hierzu fehlen dem angefochtenen Urteil jedoch die entsprechenden Feststellungen. Weder enthält es Ausführungen zu den Beleuchtungsverhältnissen auf der nächtlichen Autobahn, noch zum Abstand des Polizeifahrzeugs zum Fahrzeug des Betroffenen. Darüber hinaus fehlen Angaben dazu, wo die Kilometrierungsschilder angebracht gewesen sind und wie sie beschaffen waren.
Bei einem Verfolgungsabstand von (nur) 50-80 m, der der Entscheidung des OLG Stuttgart zugrunde lag, hat das OLG bereits erhebliche Schwierigkeiten der nachfahrenden Beamten gesehen, die Punkte zu bestimmen, an denen das Fahrzeug des Betroffenen den Anfang und das Ende der Messstrecke tatsächlich passierte. Das OLG Stuttgart hat deshalb in dem von ihm zu entscheidenden Fall bereits wegen dieser optischen Fehlermöglichkeit einen Sicherheitsabschlag von mindestens 4 % für erforderlich gehalten. Hinzu kommen die vom OLG Stuttgart vorgenommenen weiteren Toleranzabzüge in Bezug auf die Vermessung der Autobahnkilometrierungen, der Fehlergrenzen der verwendeten Stoppuhr und dem Stoppen der Zeit von Hand.
Anhand der Urteilsgründe kann der Senat aber nicht überprüfen, ob das Amtsgericht bereits die optische Fehlermöglichkeit ausreichend berücksichtigt hat, da die hierzu erforderlichen Feststellungen nicht getroffen sind. In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf seine Anforderungen an die Feststellungen bei einer nächtlichen Nachfahrmessung (die hier zwar nicht vorliegt), die im Rahmen der Frage der Erkennbarkeit des verfolgten Fahrzeuges aber auch hier relevant sind:
Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur Nachtzeit bedarf es im Urteil grundsätzlich näherer Feststellungen dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem voraus fahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte und ob für die Schätzung des gleich bleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren. Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren (OLG Hamm DAR 2006, 31; OLG Oldenburg, Beschl. v. 8.11.2012 – 2 Ss Bs 253/12). Bei einem Verfolgungsabstand von nur ca. 100 m und der Orientierung an den Leitpfosten sowie den Rücklichtern des gemessenen Fahrzeugs soll auch auf einer unbeleuchteten Straße eine zuverlässige Schätzung eines gleich bleibenden Abstandes durch geübte Polizeibeamte möglich sein (OLG Hamm VRS 113, 112; OLG Celle NZV 2004, 419; OLG Jena VRS 111, 195, wobei es sich dort um eine i...