StVG § 25; BKatV § 4 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
1. Für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StVG ist eine hinreichend aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich.
2. Zulässiges Verteidigungsverhalten eines Betroffenen, wie etwa das Bestreiten des Tatvorwurfs, darf bei der Bemessung der Rechtsfolgen nicht zu seinem Nachteil gewertet werden.
3. Einem Betroffenen, der den Tatvorwurf bestreitet, darf bei der Bemessung der Bußgeldhöhe eine "uneinsichtige Haltung" nicht angelastet werden.
BayObLG, Beschl. v. 13.12.2022 – 202 ObOWi 1458/22
1 Sachverhalt
Das AG hat gegen den Betroffenen wegen verbotswidrigen Benutzens eines elektronischen Geräts (Mobiltelefon) als Führer eines Kraftfahrzeugs eine Geldbuße von 200 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Das BayObLG hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des AG im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Die Rechtsbeschwerde erzielt den aus Ziffer I. des Beschlusstenors ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.
2. Dagegen hat der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand. Aufgrund der lückenhaften Feststellungen zu den für die Rechtsfolgenentscheidung bestimmenden Vorahndungen kann der Senat nicht überprüfen, ob diese rechtsfehlerfrei getroffen wurde. Zudem sind zur Rechtsfolgenbemessung angestellte Erwägungen durchgreifend rechtsfehlerhaft.
a) Insbesondere für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers außerhalb eines Regelfalls gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StVG ist eine hinreichend aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich. Denn die Beharrlichkeit setzt gerade voraus, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes und noch verwertbares Unrecht fehlt, indem er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt. Dem Zeitmoment kommt, wie sich § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als nicht nur der Zeitablauf zwischen dem jeweiligen Eintritt der Rechtskraft der Vorahndungen, sondern auch zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten (vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 10.5.2021 – 201 ObOWi 445/21, NStZ-RR 2021, 351). Aufgrund dessen genügt ein tatrichterliches Urteil regelmäßig nur dann den Erfordernissen an eine rechtsfehlerfreie Darstellung, wenn die Vorahndungen nach Art des Verkehrsverstoßes, Tatzeit, angeordneten Rechtsfolgen, Entscheidungsdaten und Zeitpunkten des Rechtskrafteintritts im Einzelnen wiedergeben werden, soweit die Vorahndungen noch verwertbar sind.
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Im Rahmen der persönlichen Verhältnisse wird zwar angekündigt, dass die Vorahndungen dargestellt werden. Dies erfolgt jedoch nicht. Vielmehr beschränkt sich das Urteil auf den nicht nachvollziehbaren Vermerk "FAER einfügen". Im Rahmen der Erwägungen zur Rechtsfolgenbemessung wird zunächst auf das angeblich unter Ziffer I. der Urteilsgründe wiedergegebene "FAER" verwiesen. Ansonsten werden nur pauschal einige wenige Vorahndungen ohne hinreichende Aussagekraft erwähnt; im Übrigen nimmt das tatrichterliche Urteil auf eine "Vielzahl von Vorahndungen" Bezug, ohne diese im Einzelnen darzulegen.
c) Soweit das Amtsgericht bei der Verhängung des Fahrverbots zusätzlich berücksichtigt hat, dass der Betroffene "die Tat weder vor Ort noch in der Hauptverhandlung einräumte", ist dies ebenfalls rechtsfehlerhaft, weil einen Betroffenen keine Verpflichtung trifft, an seiner Überführung mitzuwirken, und deshalb zulässiges Verteidigungsverhalten ihm selbstverständlich nicht angelastet werden darf (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 28.8.2018 – 5 StR 295/18, StV 2019, 442]; BGH, Beschl. v. 22.5.2013 – 4 StR 151/13, StraFo 2013, 340).
d) Die aufgezeigten Darstellungsmängel erfassen unabhängig davon, dass ohnehin zwischen Fahrverbot und Geldbuße eine Wechselwirkung besteht, schon deshalb auch den Ausspruch über die Bußgeldhöhe, die über der Regelgeldbuße liegt, weil das Amtsgericht insoweit ebenfalls auf die "Vorahndungssituation" abgestellt hat. Überdies ist die weitere Erwägung des Tatgerichts, wonach auch die "uneinsichtige Haltung" des Betroffenen für die Bußgeldbemessung von Bedeutung war, rechtsfehlerhaft, weil einem den Vorwu...