Der Bekl. steht kein Recht zu, bei der unstreitig vorliegenden Obliegenheitsverletzung nach § 13 Abs. 1 AVB einen aus einem Versicherungsfall folgenden Erstattungsanspruch anteilig gem. § 14 AVB i.V.m. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG wegen einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung zu kürzen. Denn die Rechtsfolgenvereinbarung in § 14 AVB ist gem. § 32 S. 1 VVG wegen Verstoßes gegen die halbzwingende Vorschrift des § 28 Abs. 2, 3 VVG unwirksam. Der Verstoß der Kl. gegen die in § 13 Abs. 1 AVB geregelte Obliegenheit bleibt deswegen folgenlos. Der Kl. steht folglich der ungekürzte Anspruch aus dem Versicherungsvertrag zu. Im Einzelnen:
1. Für die wirksame Vereinbarung der Rechtsfolgen für Verletzungen vertraglich vereinbarter Obliegenheiten ist von folgenden rechtlichen Maßstäben auszugehen:
Will der VR bei Verletzung einer vertraglich wirksam vereinbarten Obliegenheit (vollständige oder teilweise) Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen, setzt dies eine wirksame vertragliche Vereinbarung nicht nur der Obliegenheit selbst, sondern auch der Rechtsfolge voraus. Ebenso wie im Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung, bei welcher § 28 Abs. 2 S. 1 VVG ausdrücklich anordnet, dass der Vertrag selbst bestimmen muss, dass der VR bei Verletzung einer vom VN zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, gilt auch für den Fall der in § 28 Abs. 2 S. 2 VVG geregelten groben Fahrlässigkeit, dass der Vertrag die Rechtsfolgen dieser Verletzung regeln muss (BGH VersR 2011, 1550 Rn 34 m.w.N.; BGH, Urt. v. 2.4.2014 – IV ZR 124/13, juris Rn 15 ff.). § 28 Abs. 2 VVG begründet also keine Rechte des VR, sondern beschränkt bzw. begrenzt vielmehr – vor allem verschuldensabhängig – dessen Regelungsmöglichkeiten bei Obliegenheitsverletzungen (…).
Sofern – wie hier in § 14 AVB – in der Rechtsfolgenregelung in den AVB nicht auf die gesetzliche Regelung in § 28 VVG verwiesen wird und somit eine eigenständige vertragliche Sanktionsregelung für Obliegenheitsverstöße getroffen wird, müssen dem VN in dieser Regelung die Voraussetzungen einer möglichen Leistungsfreiheit oder -kürzung deutlich gemacht werden.
Nur so kann er seine Verteidigungsmöglichkeiten erfassen. Das bedeutet, dass eine solche vertragliche Sanktionsbestimmung neben einem klaren und eindeutigen Hinweis auf die vom Verschuldensgrad (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) abhängige Kürzung des Anspruchs auch den Hinweis auf die Möglichkeit des Kausalitätsgegenbeweises (§ 28 Abs. 3 VVG) enthalten muss (BGH Urt. v. 2.4.2014 – IV ZR 124/13, juris Rn 20 …). Das ergibt sich über den Wortlaut des § 28 Abs. 2 VVG hinaus zudem aus dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (Marlow, r+s 2015, 591, 592).
2. In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich § 14 AVB gem. § 32 S. 1 VVG i.V.m. § 28 Abs. 2, 3 VVG als unwirksam.
In § 14 heißt es für Obliegenheitsverletzungen abschließend:
"Folgen der Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit
Ein Verstoß gegen die genannten Obliegenheiten (insbesondere nicht wahrheitsgemäße Schadensberichte, falsch angegebene Daten bezüglich des versicherten Gegenstandes oder des VN), können je nach Art der Pflichtverletzung zum gesamten oder teilweisen Verlust des Versicherungsschutzes führen.“
Es wird bei der vorgesehenen Leistungskürzung in dieser Regelung nicht – wie es § 28 Abs. 2 VVG vorsieht – hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs (Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, die jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen zur Folge haben können) differenziert, sondern es wird die "Art der Pflichtverletzung" genannt. Die Art der Pflichtverletzung kann indes nicht gleichgesetzt werden mit dem Grad des Verschuldens. Zudem weicht § 14 AVB zum Nachteil des VN von § 28 Abs. 3 VVG ab, indem der Kausalitätsgegenbeweis nicht eröffnet wird (…).
zfs 5/2023, S. 268 - 269