VVG § 203 Abs. 5, MB/KK § 8b
Leitsatz
1. Der Mitteilung über die Erhöhung der Prämien für einen Krankenversicherungsvertrag muss zu entnehmen sein, welche Rechnungsgrundlage sich konkret verändert hat, nicht aber, in welche Richtung die Veränderung erfolgt ist.
2. Veränderungen unterhalb des nach § 203 Abs. 2 VVG, § 155 Abs. 3 S. 2 VAG maßgeblichen Schwellenwertes können in den AVB als auslösende Faktoren vorgesehen werden.
3. Mit einer unwirksamen Prämienerhöhung und der ersten darauf folgenden Teilzahlung entsteht kein einheitlicher Bereicherungsanspruch in Höhe aller in Zukunft darauf geleisteter Prämien.
4. Die Geltendmachung unwirksam erhöhter Prämien stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung dar, von deren schuldhafter Verursachung sich der VR regelmäßig nicht entlasten kann.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 30.11.2022 – IV ZR 32//20
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Kl. Der Kl. ist bei der Bekl. krankenversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen – AVB Teil V (im Folgendon: AVB Teil I) zugrunde, die auszugsweise lauten:
Zitat
§ 19 Kann sich nach Abschluss des Vertrages der Beitrag, ein Selbstbehalt oder ein vereinbarter Risikozuschlag ändern?
1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Versicherungsleistungen z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleichen wir zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung bei den Versicherungsleistungen für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit von uns überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst; bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden. […]
2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch uns und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.
Der Kl. unterhält bei der Bekl. in der Krankheitskostenversicherung den Tarif B. Die Bekl. informierte ihn mit Schreiben vom Februar 2014 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung zum 1.4.2014, wobei der Erhöhungsbetrag erst ab dem 1.4.2015 gezahlt werden musste. Weitere Beitragserhöhungen erfolgten zum 1.4.2016 und 1.4.2017.
Im Schreiben vom Februar 2014, dem unter anderem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, hieß es auszugsweise:
"heute informieren wir Sie darüber, dass wir zum 1.4.2014 Ihre Beiträge deutlich erhöhen müssen. Der wesentliche Grund hierfür sind die gestiegenen Kosten für medizinische Leistungen. Medizinischer Fortschritt und ständig verbesserte Behandlungsverfahren haben ihren Preis."
Der Kl. hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Er forderte er die Bekl. u.a. zur Rückzahlung der seiner Ansicht nach zu viel gezahlten Prämien einschließlich der daraus gezogenen Nutzungen auf.
2 Aus den Gründen:
[Inhalt der eine Beitragserhöhung maßgeblichen Gründe]
[15] 1. Das BG hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urt. v. 16.12 2020 (BGHZ 228, 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der VR nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (…).
[16] 2. Das BG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Bekl. mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhung zum 1.4.2015 diese Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (BGHZ 228, 56 Rn 38). Revisionsrechtlich relevante Fehler sind hier nicht zu erkennen.
[17] Nach der im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des BG konnte ein VN der Mitteilung nicht entnehmen, welche Rechnungsgrundlage sich konkret verändert habe. Das BG hat diesem Schreiben nur Gründe der Beitragserhöhung wie den medizinischen Fortschritt und die damit verbesserten Behandlungsverfahren entnommen. Seine Annahme, es fehle an einer Bezugnahme auf die konkret betroffenen Tarife und die Angabe, dass eine Veränderung der Versicherun...