Gleich fünf Entscheidungen hat der BGH am 16.1.2024 zum Thema Werkstattrisiko verkündet. Außer der o.g. Entscheidung geht es um die Urteile in den Verfahren: VI ZR 38/22; VI ZR 239/22; VI ZR 266/22 und IV ZR 51/23. Alle Urteile stellen klar, dass der Geschädigte sich auch bei unbezahlter Reparaturrechnung auf das sog. Werkstattrisiko berufen kann. Konkret bedeutet das, dass der Geschädigte, der sein Fahrzeug hat reparieren lassen und nun die Kosten der Reparatur geltend macht, sich grundsätzlich auch dann nicht entgegenhalten lassen muss, dass die Reparatur nicht fachgerecht, zu aufwändig oder zu teuer ausgeführt worden ist, wenn er die Rechnung der Werkstatt noch nicht bezahlt hat. Eben dies war zweifelhaft geworden, nachdem der BGH hinsichtlich der Ersatzfähigkeit der Sachverständigenkosten entschieden hatte, dass die Rechnung eines Schadensgutachters nur dann Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages i.S. des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sein könne, wenn der Geschädigte die Rechnung schon beglichen habe (BGH Urt. v. 19.7.2016 – VI ZR 491/15).
Will man Bedeutung und Reichweite der jetzt gefällten Urteile richtig einordnen, muss man etwas weiter ausholen:
Das sog. Werkstattrisiko kommt zum Tragen, wenn bei Durchführung einer unfallbedingten Reparatur etwas schief geht: Die Werkstatt rechnet nicht ausgeführte Arbeiten ab, wechselt ohne Not unbeschädigte Ersatzteile aus, arbeitet zu umständlich oder berechnet für Lohn und Material zu hohe Preise. In diesen Fällen kann der Schädiger – zu Recht – einwenden, dass der berechnete Reparaturwand über das zur Herstellung des status quo ante objektiv Erforderliche hinausgeht. Der Geschädigte kann andererseits nur dafür Sorge tragen, dass sein beschädigtes Auto in die Hände eines Fachmanns gelangt; auf die Durchführung der Reparatur hat er dagegen in der Regel keinen Einfluss. Würde man ihm nun aber nur den Aufwand erstatten, der objektiv zur Wiederherstellung des Fahrzeugs erforderlich ist, müsste er seinerseits noch gegen die Werkstatt vorgehen, Minderungsrechte aus dem Werkvertrag oder einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB geltend machen. Das erscheint deshalb als unangemessen, weil der Geschädigte mit der Reparatur eine Aufgabe wahrnimmt, die nach § 249 Abs. 1 BGB eigentlich von dem Schädiger selbst zu erfüllen wäre. Außerdem war es der Schädiger, der ihn in diese Lage gebracht und letztlich auch die unsachgemäße oder überteuerte Reparatur zu verantworten hat. Aus diesem Grunde hat der BGH schon vor fast 50 Jahren entschieden: Der Schädiger schuldet als Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich auch die Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat (BGH, Urt. v. 29.10.1974 – VI ZR 42/73, juris Rn 13).
Der Satz gilt, wie der BGH nun ausdrücklich feststellt, nicht nur für den Fall, dass der Geschädigte die Rechnung der Werkstatt bezahlt, sondern grundsätzlich auch für den Fall, dass er dies nicht tut. Anders als bei den Sachverständigenkosten schafft die Zahlung einer Reparaturrechnung keinen Anhalt für die Erforderlichkeit des geltend gemachten Herstellungsaufwands (Rn 20 ff.). Gleichwohl ist zwischen beiden Fällen zu differenzieren:
1. Bezahlt der Geschädigte die Rechnung der Reparaturwerkstatt, dann kann er auf Zahlung des verauslagten Betrages an sich selbst antragen. Wendet nun der Schädiger ein, die Rechnung sei übersetzt, bestimmte Arbeiten seien gar nicht ausgeführt, der Reparaturweg viel zu aufwändig, die Ersatzteile zu teuer oder die berechnete Arbeitszeit zu lang, wird er mit diesem Einwand im Prozess grundsätzlich nicht gehört. Vielmehr ist er auf den Rechtsgedanken des § 255 BGB zu verweisen. Er kann in einem solchen Fall nur beanspruchen, dass der Geschädigte ihm seine Ansprüche auf Minderung der Rechnung oder Schadensersatz Zug um Zug gegen Zahlung des Rechnungsbetrages abtritt. Dies ist vom Gericht von Amts wegen im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen.
2. Bei unbezahlter Rechnung kann der Geschädigte zwar auch Zahlung an sich selbst verlangen; nach BGH trägt er dann aber das Werkstattrisiko (Rn 27); d.h. er muss sich den Einwänden gegen die Abrechnung der Werkstatt stellen und kann sich ihnen grundsätzlich nicht durch Abtretung seiner Ansprüche gegen die Werkstatt entziehen. Der BGH begründet diese Einschränkung u.a. mit folgender Überlegung: Würde der Geschädigte die Rechnungssumme auch in diesem Falle erhalten, aber nicht in vollem Umfange an die Werkstatt abführen, wäre er um den Differenzbetrag bereichert. Will er also den ganzen Betrag haben, muss feststehen, dass sein Vermögen auch mit einer Forderung in der geltend gemachten Höhe belastet ist. Dasselbe gilt, wenn er Freistellung von der Rechnung der Werkstatt verlangt; denn auch in diesem Falle kommt es darauf an, mit welchem Betrag sein Vermögen belastet ist (Rn 28).
Anderes gilt, wenn der Geschädigte bei unbezahlter Rechnung auf Zahl...