[10] 1. Nach den revisionsrechtlich allerdings nicht zu beanstandenden Feststellungen des BG belehrte der VR den Kl. nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Die Widerspruchsbelehrung in dem maßgeblichen Übersendungsschreiben ist fehlerhaft, weil sie die fristauslösenden Unterlagen nicht zutreffend benennt. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. setzt der Beginn der Widerspruchsfrist die Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation nach § 10a VAG in der seinerzeit geltenden Fassung voraus.
Hier wird durch die Benennung nur des Erhalts des Versicherungsscheins der unzutreffende Eindruck erweckt, der Fristbeginn werde nur daran geknüpft (vgl. Senat v. 27.4.2016 – IV ZR 200/14). Dem VN soll mit der Widerspruchsbelehrung jedoch klar und unmissverständlich vor Augen geführt werden, unter welchen Voraussetzungen er widersprechen kann (vgl. Senat VersR 2023, 631).
[11] Etwas anderes kann im Einzelfall ausnahmsweise nur dann anzunehmen sein, wenn die Widerspruchsbelehrung – anders als hier – etwa unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens dem VN noch ausreichend deutlich macht, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt, wie der Senat dies im Urt. v. 17.1.2024 angenommen hat (IV ZR 19/23 …). Der entscheidende Unterschied in jenem Verfahren zu dem hier zu beurteilenden Fall liegt darin begründet, dass dort in dem Policenbegleitschreiben auf der ersten Seite ausdrücklich auf die Übersendung von Versicherungsschein, AVB und Verbraucherinformationen hingewiesen und der Beginn der Widerspruchsfrist in der Widerspruchsbelehrung an den "Zugang dieses Schreibens" geknüpft war. Im Streitfall wird für den Fristbeginn hingegen nur auf den Versicherungsschein abgestellt und die weiteren Unterlagen werden lediglich in einer Liste von insgesamt acht Anlagen auf der dritten Seite genannt, ohne dass klar würde, auf welche von diesen es für den Fristbeginn ankommt.
[12] 2. Entgegen der Ansicht des BG ist der geltend gemachte Rückforderungsanspruch nach dessen bisherigen Feststellungen nicht ausnahmsweise aufgrund des Vorliegens besonders gravierender Umstände nach § 242 BGB wegen rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen.
[13] a) Nach der Rspr des Senats kann zwar auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung die Geltendmachung des Widerspruchsrechts ausnahmsweise Treu und Glauben widersprechen und damit unzulässig sein, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalles vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind. Dementsprechend hat der Senat bereits tatrichterliche Entscheidungen gebilligt, die in Ausnahmefällen mit Rücksicht auf besonders gravierende Umstände des Einzelfalles auch dem nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrten VN die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs verwehrt haben (Senat VersR 2023, 1151 …). Allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlerhafte Belehrung der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Widerspruchsrechts entgegensteht, können nicht aufgestellt werden. Vielmehr obliegt die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall dem Tatrichter. Auch in Fällen eines fortbestehenden Widerspruchsrechts kann die Bewertung des Tatrichters in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (Senat Urt. v. 19.7.2023 IVZR 268/21; VersR 2023, 631).
[14] b) Danach genügen die bisherigen Feststellungen des BG nicht zur Annahme besonders gravierender Umstände.
[15] aa) Soweit das BG in seine Gesamtwürdigung als einen von drei Umständen einbezogen hat, der Belehrungsmangel sei verhältnismäßig geringfügig gewesen und habe sich im konkreten Fall nicht ausgewirkt, hat es damit einen Gesichtspunkt berücksichtigt, der zwar dazu führen kann, dass das Widerspruchsrecht unabhängig vom Vorliegen besonders gravierender Umstände wegen widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen ist, der aber nicht zugleich einen besonders gravierenden Umstand im genannten Sinne darstellt.
Nach den Grundsätzen, die der EuGH in seinem Urt. v. 19.12.2019 (Rust-Hackner u.a., C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, NJW 2020, 667) zur Fehlerhaftigkeit der Belehrung über das Vertragslösungsrecht aufgestellt hat und denen der Senat folgt (BGHZ 236, 163), wäre es unverhältnismäßig, es dem VN zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen, wenn ihm durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktritts- bzw. Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (…). Weitere Voraussetzungen müssen daneben für einen Ausschluss des Widerspruchsrechts nicht erfüllt ...