VVG § 84; BGB § 677 § 683 § 679; AKB 2015 A 2.6.2
Leitsatz
Erklärt ein Kasko-VR gegenüber dem VN schon bei der Einleitung des Sachverständigenverfahrens unmissverständlich, dass er dieses Verfahren im konkreten Einzelfall für unzulässig halte und sich daran unter keinen Umständen beteiligen wolle, ist er keinem der beiden vom VN dennoch mit der Durchführung dieses Verfahrens beauftragten Sachverständigen direkt zur Vergütung verpflichtet.
OLG Celle, Urt. v. 19.10.2023 – 11 U 29/23
1 Sachverhalt
Der Kl. nimmt die Bekl. auf Zahlung verschiedener Sachverständigenhonorare in Anspruch. Der Kl. wurde von mehreren VN der Bekl. gemäß A.2.6.2. AKB als "zweiter" Sachverständiger für die Durchführung von Sachverständigenverfahren nach A.2.6. AKB benannt, nachdem die Bekl. als VR das ihr zustehende Recht, selbst einen Sachverständigen zu benennen, nicht nutzte. Der Fall erhält sein besonderes Gepräge zum einen durch den Umstand, dass die betreffenden VN den Bekl. keineswegs selbst benannten, sondern ihre Ansprüche gegen die Bekl. an die jeweilige Reparaturwerkstatt abtraten, die den Sachverständigen H. einschalteten, als die Bekl. die jeweilige Rechnung nicht vollständig bezahlte. Der Sachverständige H. ließ sich sodann von den VN eine Vollmacht erteilen, das Sachverständigenverfahren für sie durchzuführen und in diesen Verfahren als ihr ("eigener") Sachverständiger aufzutreten und überdies auch alle für sie notwendigen Erklärungen abzugeben. Der Sachverständige H. suchte sodann den Kl. aus und beauftragte ihn kraft der ihm erteilten Vollmacht der VN als Sachverständigen der Bekl. Zum anderen unterließ die Bekl. nicht bloß ihre Mitwirkung an dem jeweiligen Sachverständigenverfahren, sondern machte insbesondere dem Sachverständigen H. mehrfach deutlich, dass sie die Durchführung der Verfahren in den betroffenen Fällen für unzulässig halte und unter keinen Umständen daran teilnehmen wolle.
2 Aus den Gründen:
Die Berufung ist begründet, weil die Klage unbegründet ist.
Der Senat hat den Kl. in seinem Hinweisbeschluss vom 15.8.2023 auf folgende vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage hingewiesen: …
Hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Forderungen (…) fehlt es jedenfalls an einem direkten Anspruch des Kl. gegen die Bekl.
a) Ein direkter vertraglicher Anspruch ist nicht wirksam begründet worden. Ein solcher Anspruch käme unproblematisch in Betracht, wenn die "Sachverständigenverfahren" gemäß Klausel A. 2.6 AKB 2015 bzw. A.2.17 AKB 2008 konzeptionsgemäß einverständlich durchgeführt worden wären, wenn also die Bekl. von sich aus gemäß A.2.6.2. AKB 2015 dem Kl. den Auftrag erteilt gehabt hätte, für sie als Mitglied des Sachverständigenausschusses an dem jeweiligen Verfahren teilzunehmen. Die Parteien hätten dann jeweils einen direkten Vertrag über die Erbringung gutachterlicher Tätigkeit geschlossen, der in der Regel als Werkvertrag (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.2006 – X ZR 122/05, juris) oder werkvertragsähnlicher Vertrag eigener Art (vgl. Bruck/Möller/Johannsen, VVG, § 84 Rn 42) einzuordnen wäre. Unabhängig von der in Klausel A.2.6.4. AKB 2015 (in Anlehnung an §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO) enthaltenen Kostenregelung begründet ein solcher Vertragsschluss einen direkten Vergütungsanspruch des Sachverständigen gegen die ihn beauftragende Partei. Die jeweiligen Sachverständigenverfahren wurden indes nicht einverständlich durchgeführt. Der Kl. erhielt seinen jeweiligen Auftrag zur Teilnahme an den Sachverständigenverfahren nicht durch die Bekl.
b) Stattdessen machte der jeweilige VN (bzw. tatsächlich: der von diesem bereits benannte eigene Sachverständige H. als dessen jeweiliger Vertreter) von seinem in der Klausel A.2.6.2 Satz 2 AKB 2016 Recht gebraucht, den Kl. als den von der Bekl. in den Ausschuss zu entsendenden Sachverständigen zu bestimmen, nachdem die Bekl. binnen zwei Wochen nicht von sich aus einen Sachverständigen benannt hatte. Der Kl. erhielt seinen Auftrag mithin (mittelbar) von dem VN. Aus diesem Vorgang könnte der Schluss gezogen werden, dass dem Kl. allein gegenüber dem VN – die Wirksamkeit der von diesem jeweils erteilten Vollmachten zunächst einmal unterstellt – vertragliche Vergütungsansprüche zustehen.
c) Allerdings dürfte es der überwiegenden Auffassung jedenfalls in der versicherungsrechtlichen Literatur entsprechen, dass vertragliche Beziehungen zwischen beiden daran teilnehmenden Sachverständigen im Falle eines Sachverständigenverfahrens gemäß § 84 VVG nicht nur zu der sie jeweils benennenden Partei entstehen, sondern auch zu der jeweiligen "Gegenpartei" (vgl. Johannsen a.a.O. m.w.N.; BeckOK-VVG/Car, Stand 1.5.2023, § 84 Rn 41; Prölss/Martin/Voit, VVG, 31. Auf., § 84 Rn 37).
Zur Begründung eines solchen dreiseitigen Vertragsverhältnisses gibt es zwei Begründungsmöglichkeiten. Zum einen lassen sich die Willenserklärungen der Parteien dahin auslegen, dass der von einer Partei mit dem Sachverständigen geschlossene Vertrag zugleich einen Vertrag zugunsten der anderen Partei darstellt (so Bruck/Möller/Möller a.a.O. Rn 27; ablehnend insofern OLG Nürnberg, Ur...