II. Auf die Berufung des Klägers war das landgerichtliche Urteil abzuändern, weil die Einstandspflicht der Beklagten für die Schädigung des Klägers infolge der verspäteten MRT-Untersuchung festzustellen war.

Von den Parteien nicht in Zweifel gezogen, stellt es einen groben Befunderhebungsfehler dar, dass im Hause der Beklagten nach der EEG – Untersuchung nicht zeitnah eine MRT – Untersuchung des klägerischen Schädels stattgefunden hat. Eine frühere Befundung und dem folgend eine frühere Behandlung sind auch geeignet, die Schädigung zu vermeiden oder zu verringern.

Anders als das Landgericht meint, ist indessen der Senat der Ansicht, dass damit im Ergebnis die Beklagte den Nachweis zu führen hat, dass die Schädigung des Klägers durch die entsprechende Verzögerung der MRT – Untersuchung jedenfalls nicht mitverursacht worden ist, § 630h Abs. 5 BGB. Grundsätzlich erfasst die Beweislastumkehr des § 630h Abs. 5 BGB den sogenannten Primärschaden sowie typische Sekundärschäden (BGH NJW 2005, 427, 429 sub. aa) m.w.N.; MüKo-Wagner, 9. Aufl., § 630h Rn 94 f.).

Das Landgericht hat den Primärschaden darin gesehen, dass der Schlaganfall des Klägers über mehrere Stunden bis zur MRT – Untersuchung unbehandelt geblieben ist. Die körperlichen Einschränkungen, die der Kläger als Folge des Schlaganfalls erlitten hat, hat das Landgericht als Folgeschäden eingeordnet, für deren Ursächlichkeit der Maßstab des § 287 ZPO zu gelten habe; es hat den Kläger für beweisfällig erachtet.

Der Senat teilt diese Bewertung nicht. Primärschaden, auf den sich die haftungsbegründende Kausalität ausrichtet, ist nicht die Perpetuierung des Krankheitszustandes, der Anlass für die Behandlung gegeben hat, sondern vielmehr die durch den Behandlungsfehler herbeigeführte gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung (BGH, Urt. v. 2. 7 2013 – VI ZR 554/12 r+s 2013, 517 Tz. 16 bb. m.w.N.; vgl. auch BGH NJW 1998, 3417). Es ist also darauf abzustellen, wann die unterbliebene Behandlung eines krankhaften Zustandes zu einer weiteren Schädigung des Patienten, die über den unbehandelten Zustand hinausgeht, geführt hat (vgl. BGH a.a.O.).

Würde man demgegenüber mit dem Landgericht nur die Perpetuierung des pathologischen ursprünglichen Zustands des Patienten als Primärschaden begreifen, wäre mit der Beweislastumkehr für den Patienten nichts gewonnen.

Der krankhafte Zustand des Klägers ist hier in einer Verengung der Hirngefäße infolge einer Vaskulitis zu sehen; die daraus folgende, zeitlich nächste organische Schädigung des Klägers (Primärschaden) ist im Untergang des Gewebes zu sehen, das infolge der Gefäßenge über eine längere Zeit unterversorgt geblieben ist. Dies entspricht den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen FF in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Sinngemäß hat der Sachverständige ausgeführt, den Mechanismus könne man sich so vorstellen, dass die Entzündung eine Verengung verursache, die ihrerseits zu einer Minderdurchblutung führe; dies führe wiederum zu einer Unterversorgung der Gewebe mit Sauerstoff und anderen Stoffen; dies verursache auf Dauer ein Absterben der Nervenzellen; jene Unterversorgung der Nervenzellen sei in der ersten MRT bereits zu erkennen; seien die Zellen insoweit erst einmal in dieser Weise geschädigt, trete nach einiger Zeit der Untergang ein; das sei ein Prozess, der durchaus etwas Zeit brauche; es handele sich insoweit dann um den ersten organischen Schaden, der als Folge des unbehandelten Infarktes eintrete.

Die abweichende Argumentation der Beklagten im Schriftsatz vom 29.1.2024 überzeugt den Senat nicht; unklar bleibt schon, was die Beklagte mit dem Hinweis, der Schlaganfall stelle die zu behandelnde Grunderkrankung dar, bezweckt; denn, wäre dies die Grunderkrankung, müsste man die Paresen etc., die der Senat als Sekundärschäden eingeordnet hat, als Primärschaden ansehen. Damit wäre für die Beklagte beweisrechtlich nichts gewonnen. Dessen ungeachtet teilt der Senat, wie ausgeführt, die Grundannahme bereits nicht, denn die zu behandelnde Grunderkrankung stellt die Vaskulitis mit der daraus folgenden Arterienverengung dar; die Ischämie mit Gewebeuntergang ist dann, wie der Sachverständige ausgeführt hat, die zeitlich nächste organische Schädigung.

Damit stellt sich die organische Schädigung des Hirns als Primärschaden dar, dessen typische Folge jene Einschränkungen sind, die den Gegenstand der Klage bilden. Auch insoweit überzeugend hat der Sachverständige FF ausgeführt, bei den Schäden, die der Kläger heutigen Tags beklage, also Hemiparese, Spasmen und Dystonie, handele es sich um typische Folgeschäden eines solchen Infarktes; die Paresen rührten daher, dass die entsprechenden Nerven nicht mehr angesteuert würden, die Spasmen daher, dass der Reflexbogen nicht mehr kontrolliert werde.

Der Beklagten ist schließlich der Beweis mangelnder Ursächlichkeit nicht gelungen. Will sich die Behandlerseite im Fall eines groben Behandlungsfehlers im Sinne des § 630h Abs. 5 BGB entlasten, muss sie beweisen, dass ein ...

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