Nach Auffassung des VIII. ZS des BGH v. 22.1.2008 NJW 2008,1323 = RVGreport 2008, 148 (Hansens) = AGS 2008, 158 = zfs 2008, 288 m. Anm. Hansens, ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren stets zu berücksichtigen. Das VG Berlin, dem diese unselige Entscheidung des BGH bei Erlass seines Beschlusses nicht bekannt sein konnte, hat dem Kern der BGH-Entscheidung zutreffend widersprochen. Völlig zu Recht führt das VG aus, die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG führe nicht zu einer gewissermaßen "automatischen" Kürzung der Verfahrensgebühr, wovon der BGH ausgegangen ist, sondern sei ähnlich wie die Aufrechnung zu verstehen. Dies setzt naturgemäß zunächst einmal voraus, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten überhaupt eine Geschäftsgebühr in Rechnung gestellt hat. Ferner weist das VG richtig darauf hin, dass dem Rechtsanwalt ein Vergütungsanspruch gegen den bedürftigen Mandanten nur hinsichtlich der Geschäftsgebühr nebst Auslagen zusteht, während er wegen der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einen Vergütungsanspruch für die gerichtliche Tätigkeit gegen den Mandanten nicht durchsetzen kann. Insoweit steht dem im Rahmen der Prozesskostenhilfe tätigen Rechtsanwalt ein Vergütungsanspruch nur gegen die Staatskasse zu. Bei unterschiedlichen Zahlungspflichtigen kommt somit nach Auffassung des VG Berlin eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG nicht in Betracht.

Nach Auffassung des VG, das gegen seine Entscheidung die Beschwerde zugelassen hat, ist dem auch im Verwaltungsverfahren tätig gewesenen PKH-Anwalt der Anspruch auf Zahlung der Verfahrensgebühr gegen die Staatskasse nicht um den Anrechnungsbetrag nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG zu vermindern.

Ob und unter welchen Voraussetzungen die Anrechnung der Geschäftsgebühr auch gegenüber dem Anspruch des Prozesskostenhilfe-Anwalts gegen die Staatskasse zu berücksichtigen ist, ist in der der Rspr. allerdings umstritten.

  • Nach Auffassung des OLG Stuttgart RVGreport 2008, 106 (Hansens) ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die dem PKH-Anwalt gegen die Staatskasse zustehende Verfahrensgebühr ausnahmsweise nur dann zu berücksichtigen, wenn der Mandant dem PKH-Anwalt die Geschäftsgebühr gezahlt hat, so auch ausf. Hansens, RVGreport 2008, 1,2.
  • Demgegenüber vertreten das LAG Düsseldorf RVGreport 2008, 142 (Hansens), das LAG Köln RVGreport 2007, 457 (Ders.) und das VG Minden RVGreport 2007, 456 (Ders.) und RVGreport 2008, 107 (Ders.) die Meinung, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr bei der Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung stets zu berücksichtigen ist.

Der Beschluss des VIII. ZS des BGH v. 22.1.2008 hat in der Praxis vielfach dazu geführt, dass Bezirksrevisoren bei manchen Gerichten systematisch Rückforderungsbescheide auch bei längst abgeschlossenen Festsetzungsverfahren gegen Prozesskostenhilfe-Anwälte erwirken, weil nach dieser Entscheidung die Verfahrensgebühr nur in verminderter Höhe angefallen sei. Gegen diese unrichtige Rechtsauffassung sollten sich die Anwälte durch Einlegung von Erinnerungen nach § 56 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 RVG wenden. Die Entscheidung des VG Berlin gibt hierzu eine gute Argumentationshilfe.

Heinz Hansens

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