Ein deutscher Fahrzeugeigentümer, der bei einem Verkehrsunfall im EU-Ausland geschädigt wurde, hat gem. Art. 11 EuGVVO gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer, der seinen Geschäftssitz in der EU hat, einen Direktanspruch. Gem. Art. 11 Abs. 2 EuGVVO ist auf eine Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer erhebt, u.a. Art. 9 EuGVVO anzuwenden. Der genaue Wortlaut der Vorschrift ist folgender:
(1) Bei der Haftpflichtversicherung kann der Versicherer auch vor das Gericht, bei dem die Klage des Geschädigten gegen den Versicherten anhängig ist, geladen werden, sofern dies nach dem Recht des angerufenen Gerichts zulässig ist.
(2) Auf eine Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer erhebt, sind die Artikel 8, 9 und 10 anzuwenden, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.
Wird Art. 9 Abs. 1b EuGVVO zugunsten des Geschädigten angewendet, hat dies zur Folge, dass er die Direktklage gegen einen ausländischen Versicherer mit Geschäftssitz in der EU an seinem eigenen Wohnsitz erheben kann, soweit er als Begünstigter des Versicherungsvertrags des Schädigers mit dem ausländischen EU-Versicherer angesehen wird. In diesem Fall zieht die internationale Zuständigkeit quasi auch die örtliche Zuständigkeit nach sich. Der Wortlaut der maßgeblichen Passage dieser Vorschrift lautet wie folgt:
(1) Ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:
a) vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat,
b) in einem anderen Mitgliedstaat bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat.
Nach einer früher vertretenen strengen Auffassung war der inländische Geschädigte nicht als Begünstigter des Haftpflichtversicherungsvertrags i.S.d. Art. 9 Abs. 1b EuGVVO eingestuft worden und konnte daher nicht vor einem deutschen Gericht Klage erheben. Der BGH hat dieser Auffassung eine Absage erteilt und sich der Auffassung angeschlossen, wonach eine solche Klage am Wohnort des Geschädigten möglich ist. Zugleich hat der BGH diese Frage dem EUGH zur Entscheidung vorgelegt. Der EUGH hat die Auffassung des BGH bestätigt und legt die oben genannte Verordnung so aus, dass der Geschädigte den ausländischen Versicherer mit EU-Geschäftssitz am Ort seines eigenen Wohnsitzes im Inland verklagen kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist. Dies hat weitreichende Folgen:
Der in Deutschland lebende A wird mit seinem Fahrzeug in Krakau (Polen) in einen Verkehrsunfall mit einem dort lebenden polnischen Staatsbürger verwickelt. Gegen den polnischen VR, der seinen Firmensitz innerhalb der EU hat, kann der deutsche Geschädigte am Gericht seines Wohnorts in Deutschland Klage erheben. Für die sachliche Beurteilung des Verkehrsunfalls ist jedoch polnisches Recht maßgeblich, es sei denn, der polnische Staatsbürger hätte seinen ständigen Wohnsitz z.Z. des schädigenden Ereignisses ebenfalls in Deutschland.
Dem Geschädigten steht ein Wahlrecht zu. Er kann den ausländischen Versicherer in den meisten Fällen auch an dessen Firmensitz oder am Unfallort im Ausland verklagen. Es wird also im Einzelfall zu prüfen und abzuwägen sein, welche Vorgehensweise für den Geschädigten am Günstigsten ist.
a) Überlegungen zu einer Klage im Inland
Eine Klage im Inland ist für den Geschädigten und seinen Anwalt bzgl. der prozessualen Abläufe vorhersehbarer und mit weniger Mühen verbunden. Der Geschädigte wird i.d.R. seine Schilderung des Unfallablaufes persönlich gegenüber dem Gericht abgeben wollen. Bei einer Klage vor einem deutschen Gericht wird der Geschädigte i.d.R. als Partei vom Gericht gem. § 141 ZPO persönlich angehört. Bei einem Rechtsstreit vor dem ausländischen Gericht müsste er u.U. vor Ort im Ausland angehört werden, wenn nicht die dortige Rechtsordnung eine Vernehmung in Deutschland "vor dem ersuchten Richter" gestattet. Gleiches gilt für von ihm benannte inländische Zeugen. Auch die Gefahr eines Dolmetscherfehlers bzgl. der Unfallschilderung besteht für den Geschädigten sowohl im Hinblick auf Angaben seiner Person wie ggf. in seinem Fahrzeug anwesender inländischer Zeugen nicht.
Die gleichen Vorteile können sich auch in zeitlicher Hinsicht ergeben. Während die Integration der eigenen Partei und ihrer Fahrzeuginsassen als Zeugen bei einem Prozess vor einem ausländischen Gericht zeitliche Verzögerungen nach sich ziehen wird, besteht dieser Nachteil bei einem Prozess vor einem inländischen Gericht bzgl. der eigenen Zeugen nicht. Die Kehrseite der Medaille wäre da...